Gesammelte Briefe. 6 Bände

Band I: Briefe 1910–1918

von

Als 1966 die erste Sammlung der Briefe Walter Benjamins erschien, konnten die beiden Herausgeber Gershom Scholem und Theodor W. Adorno aus einem Material »von etwa 600 Briefen« auswählen. Um Raum zu gewinnen, mußte die Ausgabe auf weniger Wichtiges verzichten; Auslassungen in den Briefen waren aus Gründen des Persönlichkeitsrechts notwendig. Demgegenüber hatten sich die Bedingungen wesentlich verbessert, als Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, die Herausgeber der ab 1972 erschienenen »Gesammelten Schriften« Benjamins, mit den Vorbereitungen zu einer neuen, möglichst vollständigen Edition der Briefe Benjamins begannen, die die »Gesammelten Schriften« ergänzen und nach deren Beendigung erscheinen sollte. Vieles von dem, was Scholem in seinem Vorwor zur ersten Briefausgabe verloren glaubte, wurde im Laufe der Jahre gefunden. Das stetig wachsende Interesse an Benjamins Werk und die Präsentation des Briefeschreibers Benjamin durch die Edition von 1966 führten zur Entdeckung zahlreicher weiterer Briefe, die sowohl von Scholem in seiner Jerusalemer Sammlung als auch von den Herausgebern der »Gesammelten Schriften« im damaligen Frankfurter »Benjamin-Archiv Theodor W. Adorno« zusammengetragen wurden. Ehemalige Korrespondenten Benjamins oder deren Erben, Archive und Bibliotheken stellten ihre Briefe und Materialien für die Editionsarbeiten der »Gesammelten Schriften« zur Verfügung, deren Abschluß allerdings im Vordergrund zu stehen hatte.

Heute enthält die Benjamin-Sammlung des Theodor W. Adorno Archivs ca. 1270 Briefe – überwiegend in Form von Fotokopien –, die die Basis der neuen, auf sechs Bände geplanten Ausgabe bilden.

Der erste, hier vorgelegte Band umfaßt 221 Briefe und Karten Benjamins aus den Jahren 1910-1918. In ihrer Chronologie dokumentieren die Briefe die letzten Schuljahre, die »entscheidenden Jahre der Jugendbewegung«, wie Scholem in einem Brief an Dora Benjamin schrieb, und die Studienzeit in Freiburg, Berlin, München und Bern, ohne jedoch einen lückenlosen biographischen Zusammenhang herstellen zu können, geschweige denn suggerieren zu wollen; eher bezeugen die Briefe das Unstete, manchmal Verwirrende in Benjamins Entwicklung während dieser Jahre. Manches bleibt auch heute noch unklar; nicht jede Verwicklung, besonders in den erregten Debatten um die Zeitschrift »Der Anfang« und um den Berliner »Sprechsaal«, läßt sich entwirren. Dennoch zeichnen die sehr verschiedenartigen Briefe, angefangen von den in den Schulferien geschriebenen Nonsense-Briefen an Herbert Blumenthal bis zu den umfangreichen theorietischen Erörterungen in den Briefen an Ludwig Strauß, Gershom Scholem und Ernst Schoen, eine differenzierte Physiognomie des jungen Benjamin.

Plan der Ausgabe:

Band I: Briefe 1910-1918
Band II: Briefe 1919-1924
Band III: Briefe 1925-1930
Band IV: Briefe 1931-1934
Band V: Briefe 1935-1937
Band VI: Briefe 1938-1940