Gestern brennt

Zwei Erzählungen

von

Machtstrukturen der Innen und Aussenwelt
Im Sog von Elisabeth Juckers kraftvoller, bildstarker Sprache werden die Leserinnen und Leser mitten in die Identitätskrise zweier Frauen gezogen. Krisen, die beide Frauen als Chancen zu nutzen wissen. Mit ihrem schnörkellosen Schreibstil erkundet die Autorin eine Welt voller Ängste und Fantasien, innerer Konflikte und unbewältigter Erfahrungen. Sie lotet aus, ohne zu werten, ohne Imperativ, ohne Vorwurf. Das Buch ist eine Wucht – und eine Herausforderung.
In Gestern brennt geht Hab und Gut einer Frau in Flammen auf. Durch den Schock in den Grundfesten erschüttert, will Veronika, die Ich-Erzählerin, nichts mehr zu tun haben mit sich und ihrer Vergangenheit. Aufgehoben an einem unbenannten Ort, ist sie ganz froh, dem Aussenleben entronnen zu sein. In schlaflosen Nächten, aber auch in Folge der neugierigen Fragen ihrer Zimmer-Mitbewohnerin Ruth wird Veronika von Gefühlen und Gedanken überrollt. Sie begegnet dem Mädchen, das um seine Schuld am Tod eines Säuglings weiss, sieht Bilder von der Mutter, die erst lebendig wird, wenn ihre Freundin zu Besuch kommt, und setzt sich mit einer ganzen Reihe von Liebhabern auseinander, die alle ihren Platz behaupten wollen. Kleine Inszenierungen einer Welt, von der Veronika annehmen muss, dass es ihre eigene war. In der Beziehung zwischen Veronika und Ruth spiegeln sich die Machtstrukturen der Innen- wie der Aussenwelt. Veronika, die anfangs jede Regung ihrer Mitbewohnerin als Belästigung empfindet, gewöhnt sich unmerklich an die Rolle jener, die gebraucht wird. Nach und nach erwächst aus der anfänglichen Feindseligkeit Solidarität.
In Isabella, der zweiten Erzählung, kämpft eine junge Frau um einen Platz im Leben. Sie weiss, dass es so etwas wie Glück gibt, und ist fest entschlossen, danach zu suchen.
2 Erzählungen sind unter dem Titel vereinigt, insgesamt die 1. Buchveroffentlichung der Autorin. In der 1. Geschichte, Gestern brennt, versucht Veronika, traumatisiert von einem Wohnungsbrand, in einer psychiatrischen Klinik ihre Identität und ihre Vergangenbeit wiederzufinden. Sie und ihre Zimmergenossin Ruth quälen, peinigen und pflegen sich gegenseitig, Fetzen ihrer Erinnerungen mischen sich, gehen in Veronikas Gedanken ineinander üher. Es dauert lange, bis sie und mit ihr die Leser ihre Vergangenheit ordnen können. Die 2. Erzählung, Isabella, beschreibt eine psychisch labile Frau auf der Suche nach dem Glück. E. Jucker schreibt in einer ausgefeilten, sorgfältigen und treffenden Sprache, lotet die Abgründe der Seele aus. Beide Geschichten drehen sich um Frauen auf der Suche nach sich selbst und nach dem Lebenssinn. Beide enden versöhnlich, lassen Hoffnung. Fesselnd und einfühlsam. Dagmar Härter/ekz-Informationsdienst