Wer heutzutage einen Nachbarn mit „Grüß Gott!“ anspricht, muss mit Überraschungen rechnen, so z.B. mit der Antwort: „Wenn ich ihn nur treffen würde!?“ Wie ist dieser Satz zu deuten? Ist er reine Ironie oder ist er Ausdruck redlicher Gottessuche? „Wo bist du, Gott?“, fragen sich viele Menschen. Und das unschuldige Leiden auf dieser Welt ist dabei oft das tragende Fundament eines aufgeklärten und praktizierten Atheismus, der sich zu keinem Gott mehr bekennt und mitunter ein sehr unverbindliches Leben zur Folge hat.
Aber es ist gar nicht so einfach, Gott zu ignorieren, denn es gibt das Wort „Gott“ und selbst wenn viele es totschwiegen, müssten sie sich immer wieder mit jenen herumplagen, die es in den Mund nehmen und mit jenem Leben füllen, das ihm über sich hinaus, sozusagen in einem größeren Sinnzusammenhang, auch sichtbare ethische Bedeutung verleiht. Fehlten jene Zeugen, würde sich der Mensch in der Absurdität der endgültigen Begrenztheit verlieren. Er würde kapitulieren und aufhören zu träumen, zu gestalten. Die geheimnisvolle Evolution seines Geistes käme an ein bitteres Ende. Er hätte sich losgelöst vom Leben in seiner Totalität, die auch den Tod und die damit verbundene Hoffnung auf Leben ohne Ende umfasst. Wem gäbe er sich fortan hin? Er müsste ständig und in allem sein eigenes Spiegelbild betrachten? Alles wäre vergänglich, Staub und Erde. Es fehlte an Transzendenz, es fehlte an Liebe, die den Tod besiegte, es fehlte an Erlösung. Was bliebe von der Größe und Schönheit des Menschen, der von den Mächten des Todes befreit, staunend über sich hinausblickte? Karl Rahner schreibt: „Eigentlich existiert der Mensch nur als Mensch, wo er wenigstens als Frage, wenigstens als verneinende und verneinte Frage ‚Gott‘ sagt.“
Bei seiner Weihnachtsansprache im Dezember 2013 sprach der Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, ein ehemaliger Pfarrer und Dissident, nur noch von denen, „die da einst“… Er vermied rhetorisch kunstvoll – und möglichst allen Bürgern und Bürgerinnen dieses Staates gerecht werdend – die Worte Jesus, Maria, Josef, Erlöser, Gott … Aber das Wort „Gott“ bleibt dennoch unvergessen, es ist da und es lässt sich nicht so einfach aus der Welt nehmen.
Kruzifixe in den Schulen gelten mancherorts als ein Anstoß erregendes Ärgernis, welches auch auf juristischem Wege beseitigt werden will. Vielen Kirchen in Deutschland wird ihr sakraler Charakter genommen, sie werden „ent-weiht“ und zu Denkstätten eines nicht mehr benötigten „Gottes“ zum Verkauf
- Veröffentlicht am Montag 9. Juni 2014 von epubli
- ISBN: 9783844297751
- 136 Seiten
- Genre: Philosophie, RELIGION, Sachbücher