Dieser Band mit insgesamt 392 Briefen beginnt und endet jeweils mit Informationen über Reisen, die Leibniz nach Wien führen – beide Reisen geheim angetreten, die zweite darin so erfolgreich, dass sie erst bei der Bearbeitung der Briefe dieser Edition aufgedeckt werden konnte. Damit sind bereits zwei Charakteristika dieses Bandes angesprochen, der Leibniz zum einen häufig fern von Hannover (insgesamt ca. 6 Monate) zeigt und zum anderen in seinem Bestreben, eigene Wege zu gehen und dabei gelegentlich Spuren zu verwischen – dies vor allem vor dem Hintergrund zunehmender Schwierigkeiten am hannoverschen Hofe und insgeheim, mit großer Intensität betriebener Bemühungen um eine Anstellung im Dienste des Kaisers. Zusammen mit einem zeitweiligen Stocken der Korrespondenz ergeben sich daraus sonst eher ungewöhnliche Lücken und Unklarheiten in der Biographie; als Nebenergebnis der Bearbeitung der Briefe dieses Zeitraums konnten diverse biographische Details festgestellt bzw. korrigiert werden. Die hier vorgelegte Korrespondenz zeigt hauptsächlich den im politischen Raum agierenden Leibniz, der mit seinen Vorschlägen zur Kirchenreunion bis in die unmittelbare Umgebung des Kaisers vordringt und seine Stimme zu drei politischen Großereignissen dieses Zeitraums erhebt: zur Auseinandersetzung um das spanische Erbe, zu den Verhandlungen um die Regelung der englischen Sukzession und zur preußischen Königskrönung. Zwar gelingt es Leibniz nur auf Umwegen und erst Monate später, seine Huldigung für Friedrich I. in Berlin vorzubringen (wobei die wohl verworfenen Entwürfe auch seine prekäre Position als Untertan eines fremden Hofes spiegeln), aber seine Schrift zur Verteidigung der kaiserlichen Rechte am spanischen Erbe findet sogleich Interesse am Wiener Hof; und in die Sukzessionserörterungen Braunschweig-Lüneburgs ist er einbezogen als „Fachreferent“ der Kurfürstin Sophie wie gelegentlich als Interpret ihrer Position gegenüber der englischen Seite. – Geschieht dies noch unter Einsatz seiner gelehrten Kontakte, so treten diese insgesamt dann etwas zurück. Zu erwähnen sind jedoch die umfangreichen Briefe an die jesuitischen China-Missionare und die Korrespondenz mit dem Präsidenten der Académie des Sciences in Paris (jeweils mit skizzenhafter Darstellung der eigenen Ideen, insbesondere im mathematischen Bereich), der weitere Aufbau der Berliner Sozietät der Wissenschaften im Zusammenwirken mit den Brüdern Jablonski sowie der gemeinsam mit Helmstedter Professoren erarbeitete Plan zur Reorganisation dieser Universität, der den Welfenhöfen vorgelegt, aber wohl erst Jahre später und nur teilweise verwirklicht wurde. Außenwirkung erzielt Leibniz in diesem Zeitraum in der république des lettres durch seine Sozietätspräsidentschaft und vor allem durch die Weiterverwertung seiner gelehrten Kontakte im Monathlichen Auszug, einer Zeitschrift, die, von seinem Mitarbeiter Eckhart herausgegeben, unter Leibniz’ Regie steht und zum Teil direkt aus seinen Korrespondenzen schöpft. Nicht nur damals wurde sie häufig ihm selbst zugeschrieben; durch die Erschließung der Briefwechsel lässt sich jetzt zumindest teilweise die Autorschaft an einigen Texten eindeutig klären. Demgegenüber stehen die Korrespondenzen um die Acta eruditorum, die Leibniz erneut in seiner Tätigkeit als Berater und Rezensent dieses Journals zeigen. Von den Korrespondentenbriefen sind vor allem die umfangreichen Berichte über den englischen Buchmarkt hervorzuheben, die Leibniz aus London erhält.
- Veröffentlicht am Mittwoch 7. Dezember 2005 von De Gruyter
- ISBN: 9783050041902
- 832 Seiten
- Genre: Aufklärung, Hardcover, Philosophie, Renaissance, Softcover