Grauer Schnee – Tauwetter

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Der Band „Grauer Schnee – Tauwetter“ führt die Lebensgeschichte seines Protagonisten Thomas Grundmann, die in Dietmar Rummels Buch „Die (Zellen-)Tür schlägt zu“ begann, von der Mitte der siebziger Jahre bis in die Zeit der politischen Umbrüche 1989/1990 weiter und schließt mit einem resümierenden Ausblick auf die folgende Zeit. Dabei liegt das Hauptaugenmerk des Erzählers auf Schilderungen, in die in starkem Maße autobiographische Elemente eingewoben sind.
Hier, unterhalb jeder staatlichen und politischen Führungsebene, wird ein vielschichtiges Panorama von privatem und beruflichem Alltag gezeichnet, wobei neben den familiären Veränderungen insbesondere Auseinandersetzungen an den Arbeitsplätzen oder mit staatlichen Stellen ins Zentrum rücken. In den dazu protokollierten fiktiven Gesprächen scheint, wenngleich in unterschiedlichen Schattierungen und Nuancen, noch einmal jene typische DDR-Atmosphäre auf, in der die bekannte Herr-und-Knecht-Konstellation deutlich hervortritt und damit die gleichzeitige Propaganda vom ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden als einem Staat der Werktätigen ad absurdum führt. Markante Kontrasterlebnisse dazu sind Reisen in das benachbarte Ausland, deren praktizierter
Sozialismus der individuellen Entfaltung deutlich größere Räume öffnete. Indem eine Reihe von Konfliktsituationen und ihre letztendliche Lösung penibel beschrieben werden, gewinnen die handelnden Personen ein scharfes Profil und können damit über den Einzelfall hinaus auch als idealtypische Charaktere gelten. Auch insofern gleicht das Buch einem pädagogisch kaum zu überschätzenden Zeugnis zur Geschichte der DDR.
Die aktive Beteiligung Thomas Grundmanns an der Organisation des politischen Neuanfangs in Stollberg 1990 kann schließlich als ein Baustein zu der noch immer fehlenden Darstellung der dortigen Ereignisse gelten, so dass auch Regionalhistoriker mit Gewinn zu diesem Buch greifen werden.