Gut laut

Roman

von

»Es gibt Leute, in deren Leben spielt Musik eine völlig nebensächliche Rolle, er kenne Leute, die hören nicht mal Klassik. Er kenne Menschen, in Mjunik lebende Menschen, sagt Roman, die sich in dieser musikbesessenen Epoche weder für Popmusik noch für irgendeine andere Art von Musik interessieren. Seltsam, sagt Roman, Zeitgenossen, scheinbare Zeitgenossen, die bei dem Wort Kraftwerk einfach nur an banale Stromerzeugung denken, machen ihn krank.«
Andreas Neumeister folgt in seinem furiosen Prosamonolog dem elektronischen Rhythmus des »Ebenjetzt«, verliert dabei aber nicht aus dem Blick, daß das rasende »Musikbesessenheitszeitalter« eine Geschichte hat: Mit dem großartigen Stadiondach für die Olympischen Spiele 1972, dem ersten Kassettenrecorder, spätestens mit Donna Summer und Giorgio Moroder’s Late-Seventies Plastic Sound of Munich endet für ihn die Nachkriegsära, beginnt die überfällige Unterminierung »dieses Katastrophenjahrhunderts« und die trotzige Vorwegnahme des neuen Jahrtausends. Die alten Vinylplatten bekommen Kratzer: willkommenes Sample-Material für neue digitale Projekte. So schieben sich die Siebziger in die Neunziger und nehmen die verunglückten Achtziger mit auf den Weg. Veränderungen gehen so rasend schnell vonstatten, daß man aufpassen muß, sie überhaupt wahrzunehmen; ein Menü besteht nicht mehr unbedingt aus mehreren Gängen, sondern aus mehreren Untermenüs. Die Taxis sind plötzlich nicht mehr schwarz, und die Telefonzellen nicht mehr gelb.
Als atemloser Chronist unterzieht Andreas Neumeister dieses »gut laut« zu Ende gehende Jahrtausend einer musikalischen Inventur, ohne alle Larmoyanz, dafür aber mit gewaltiger Neugier. »Alles soll anders klingen. Nullerjahre klingt gut. Am meisten freue ich mich auf die sicher total verwirrenden ersten Wochen des 21. Jahrhunderts. … Bin ich froh, wenn das 20. Jahrhundert endlich vorbei ist.«