Bisher sind Heinrich Manns kürzere Texte – mögen sie Novellen heißen oder Erzählungen – in siebenundzwanzig Ausgaben in neunzehn verschiedenen Verlagen erschienen, in verschiedenen Zusammen-stellungen und auch als Einzeldrucke. Die Überlieferungsgeschichte dieser Texte Heinrich Manns ist so verwickelt wie hinderlich für ihre Rezeption. Dabei schätzte er gerade diese Texte besonders hoch ein. ‚Manchmal das Beste‘ schrieb er in einer autobiographischen Notiz an den Mailänder Verleger Mondadori, als er aufseine Novellen zu sprechen kommt. Die Verlockung zur Lektüre der kürzeren literarischen Texte Heinrich Manns liegt darin, daß der Leser den Autor auf der Suche nach seiner eigenen Form nacherleben kann – wie er seine Themen und seine Kunstmittel findet, um schließlich der Autor von Jahrhundertromanen wie ›Der Untertan‹ oder ›Professor ünrat‹ zu werden. Über die Jahrzehnte hinweg haben seine Erzählungen sein Romanschaffen vorbereitet, begleitet und weitergeführt, sie stehen über thematische Zusammenhänge auch in enger motivischer Beziehung. Fast von Anfang an geht es dabei um diese Themen: Problematik des Künstlers in spätbürgerlicher Gesellschaft, um den Widerspruch zwischen Geist und Macht, um moralische Defor-mierungen in der bürgerlichen Gesellschaft, um Herrschaft und Abhängigkeit.
- Veröffentlicht am Freitag 1. September 1995 von S. FISCHER
- ISBN: 9783100478108
- 584 Seiten
- Genre: Belletristik, Hauptwerk vor 1945