Herbstspiegel

Gedichte 2005 - 2011. Zweisprachig

von

Jemand blickt – träumend – zurück: auf die Anfänge, die Kindheit, auf lebende wie verstorbene Freunde. Die Zeit, von der Sanduhr gemessen, ist unumkehrbar, doch sie wird auch lang, denn Erinnerungen werden lebendig. Yvette K. Centenos Gedichte aus den Jahren 2005 bis 2011 erinnern vorwiegend, schauen zurück, dankbar und gerührt manchmal, aber auch sachlich, präzis, inmitten einer Gegenwart, die oftmals anders ist. Ohne Empathie jedoch ist keines der 85 Gedichte, die Yvette Centeno ihrem Mann, dem Ingenieur und Jazzkontrabassisten Bernardo, widmet.

„Nun will ich nichts weiter wissen, vervollkommnen nur, was ich nicht weiß“, beginnt der Band mit einem Zitat aus den „Memórias Inventadas“ – erfundenen Erinnerungen – des 2014 verstorbenen brasilianischen Lyrikers Manoel de Barros, einer Trilogie zum Thema Kindheit. Auch Yvette Centenos Rückblick ist fiktiv, poetisch verknappt, nicht verklärend, und rekurriert immer wieder auf das Motiv der Frühe. Gesichter tauchen aus der Kindheit auf, noch ohne Namen, „aller Anfänge Anfang“ wird gedacht, Kindheitsorte wie Porto, später Tavira, die Landschaft der Algarve und das Haus der Großmutter werden „besungen“. Es ist eine schlichte, ländliche, beinahe archaische Welt, zum Himmel hin offen, beeinflußt von Mythen, Legenden, bestimmt noch von manueller Arbeit und der Nähe des Meers.

Früh tritt zu den Erinnerungen das Gedenken an die Wegbegleiter, an Menschen, aber auch an Lektüreerfahrungen, die für immer prägten. Da ist, allen voran, Paul Celan, den Yvette K. Centeno mit ihrem Kollegen João Barrento zusammen ins Portugiesische übersetzt hat. Da ist die an Jahren ältere verehrte portugiesische Lyrikerin Sophia de Mello Breyner, mit der Yvette Centeno eine respektvolle Freundschaft verband. Da sind Pessoa und der ebenfalls mit Yvette Centeno befreundete Dichter Herberto Helder.