Hinter die Zeit

von

‚Als Irina die Augen wieder öffnet, liegen gehäckselte Überbleibsel auf dem Feld, das Spreu ist vom Getreide getrennt, es ist still, der Spuk vorbei. Keine abgetrennten Gebeine sind zu sehen, keine gerissenen Saiten und keine Bratschenkastensplitter, nichts als frisch gemähtes Stroh, und Irina ist wieder allein unter dem weiten, wirklichkeitsgetreuen Himmel Tschechiens.‘

Irina bekommt den Auftrag, bei der Restaurierung einer Kirche in einem ehemals deutschen Gebiet in Tschechien mitzuwirken. Kaum angekommen, beginnt die Mauer, welche die ‚Zeit-Ebenen‘ gewöhnlich voneinander trennt, zu bröckeln und führt Irina unvermutet hinter die Zeit: Sie begegnet der Vergangenheit des historisch aufgeladenen Ortes, die ihr Einblicke in ein Szenario während des Zweiten Weltkrieges gewährt. Beunruhigt negiert Irina die Geschehnisse und greift eilig zu bisher erfolgreichen Vermeidungsstrategien, doch je mehr sie vor den Bildern zu fliehen versucht, desto schlechter gelingt es. Sowohl bei der Arbeit als auch während gelegentlicher Streifzüge durch die Straßen des Ortes, stößt Irina weiterhin auf Spuren alter Wunden, die als Angst in ihr aufbrechen, bis sie schließlich vollends in die Geschehnisse des Krieges involviert scheint, als wären sie ein Teil von ihr und Spiegel ihres eigenen seelischen Status Quo. Und plötzlich stellen sich Fragen, von denen sie nicht einmal wusste, dass sie in ihrem Leben eine Rolle spielten:

Warum wollte sie nahe Bindungen bisher vermeiden? Warum der Wunsch nach Leistung, warum die Härte gegen sich und andere? Die Konfrontation mit der Geschichte von Vertreibung und Flucht hilft ihr schließlich, die Ursachen der diffusen Ängste aufzuspüren und dem Krieg in sich selbst zu begegnen.