‚Ich bin ja der Protheus‘

H.C. Artmanns Poetik der Wandelbarkeit

von

‚Ich bin ja der Proteus‘ – mit diesen Worten bringt der österreichische Avantgardist und Sprachspieler Hans Carl Artmann 1978 sein poetisches Programm auf den Punkt: sich vor der Sprache als Autor bis zur Unkenntlichkeit zurücknehmen. Artmann bezieht sich auf den homerischen Meeresgott, einen Meister der Verwandlung, und beschwört damit eine Tradition der Auflösung des auktorialen Selbstverständnisses in den Text.
Heide Kunzelmann nähert sich Artmanns Schreiben ausgehend von einer kritischen Rezeption des soziopsychologischen Modells der ‚proteischen Persönlichkeit‘ (Protean Self) von Jeremy Lifton. Im Licht der frühen postmodernen Literatur in Österreich entwirft sie eine Poetik der Instabilität, die sich durch permanenten Wandel und stetige innere Revolution auszeichnet. Damit schlägt sie eine neue Lesart des Werks einer der komplexesten Autorenfiguren der neueren österreichischen Literaturgeschichte vor, transzendiert gängige Interpretationsansätze und bietet der Avantgardeforschung neue Anreize.