Ich war nie Expressionist

Kurt Hiller im Briefwechsel mit Paul Raabe. 1959-1968

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Im Jahr 1959 bereitet Paul Raabe im noch jungen Literaturarchiv Marbach die heute legendäre Ausstellung ‚Expressionismus. Literatur und Kunst 1910-1923‘ vor und beginnt damit, eine gänzlich unter den Trümmern zweier Weltkriege und dem Nationalsozialismus verschüttete Strömung wieder freizulegen. Bei den Vorbereitungen tritt er in Kontakt zu einem der zentralen Akteure dieser deutschen Avantgarde, der erst 1955 aus dem Londoner Exil zurückgekehrt ist: Kurt Hiller.
Hiller hatte 1909 in Berlin den ‚Neuen Club‘ gegründet, zu dem später u.a. Ernst Blass, Georg Heym und Jakob van Hoddis stoßen sollten, er initiierte das ‚Neopathetische Cabaret‘, in dem die junge Literatur damals ihre ersten Auftritte hatte, und er gab 1912 die Sammlung ‚Der Kondor‘ heraus, die erste Gedichtanthologie der vielgestaltigen literarischen Bewegung, der Hiller selbst den Namen ‚Expressionismus‘ verlieh.
Raabe trifft hier auf einen Zeitzeugen ersten Ranges: Hiller gibt in geschliffener Sprache voll von bissigen Pointen und markanten Zuspitzungen Auskunft über Lebensläufe, Publikationen und Ereignisse. Dem Expressionismus gegenüber sachlich distanziert, doch emotional höchst beteiligt, zeigt Hiller sich auch im Alter noch als streitbarer politischer Denker und Literat. In seinem Dialog mit dem Forscher und Chronisten Raabe wird die turbulente Zeit zwischen 1910 und 1920 wieder lebendig.