„In der Ruhe liegt die Kraft“, sagte mein Vater

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Wahrscheinlich trägt jeder Mensch ein Kästchen für letzte Lebenshilfe mit sich. Nur wissen wir nicht, wo, und auch nicht, was darin ist, bis es sich im kritischsten Augenblick selbst öffnet. Es sind dort keine Arzneimittel und Notverbände. Nur feste Anweisungen, die uns den weiteren Weg führen. Vor allem birgt das Kästchen Stärke, eine ungeheure, unbekannte, rätselhafte Stärke, von deren Existenz wir bislang nichts wußten. Sie kommt nur in äußerster Not zum Vorschein, wenn es ums nackte Leben geht.

Nur mit ihrer Hilfe können wir wie durch ein Wunder auch scheinbar Unmögliches erreichen.

Zdenka Fantlová hat den Holocaust nur knapp überlebt, ein britischer Soldat rettete ihr nach der Befreiung des Lagers Bergen-Belsen am 15. April 1945 im letzten Augenblick das Leben. Als Jüdin 1922 in Böhmen geboren, wurde sie 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Im Oktober 1944 kam sie nach Auschwitz-Birkenau und wurde als »arbeitsfähig« ins Lager aufgenommen. Nach kurzer Zeit wurde sie nach Kurzbach zum Arbeitseinsatz weitertransportiert. Im Januar 1945 mußte sie einen der »Todesmärsche«nach Groß-Rosen antreten. Von da ging es weiter nach Mauthausen und schließlich nach Bergen-Belsen.

Über fünfzig Jahre nach den Ereignissen hat Zdenka Fantlova ihre Geschichte aufgeschrieben und in Tschechien veröffentlicht. Sie erzählt von ihrer behüteten Jugend und dem Bruch, der darauf folgte. Sie beschreibt, wie es ihr gelang, zu überleben, indem sie sich weigerte zu glauben, was um sie herum geschah. Ausführlich widmet sie sich der Arbeit des tschechischen Theaters in Theresienstadt, mit Künstlern wie Hans Krasa, Viktor Ullmann, Pavel Haas, Gideon Klein, Karel Ancerl oder Frantisek Zelenka. Und sie berichtet über die Dreharbeiten zu dem Propagandafilm »Der Führer schenkt den Juden eine Stadt«.
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Zdenka Fantlová wurde in Blatná geboren. 1925 übersiedelte die Familie nach Rokyceny, wo sie bis zu ihrer Deportation nach Theresienstadt lebte. Nach der Befreiung in Bergen-Belsen wurde sie vom Roten Kreuz im Juli 1945 zur Rekonvaleszenz nach Schweden verlegt. Erst dort erfuhr sie, daß sie die einzige Überlebende ihrer Familie war. Bis 1949 blieb sie in Stockholm, wo sie für die Tschechoslowakische Gesandtschaft arbeitete. Dann emigrierte sie nach Australien. Sie heiratete den deutschen Emigranten Charles Ehrlich, einen Verwandten des Mediziners und Nobelpreisträgers Paul Ehrlich. Mit ihm und ihrer Tochter lebte sie bis 1969 in Melbourne. Sie wurde Schauspielerin und trat mit Erfolg in zahlreichen Bühnenrollen auf. Seit ihrer Rückkehr nach Europa lebt sie in London.

Der Übersetzer Pavel Eckstein lebt als Musikwissenschaftler und Operndramaturg in Prag.