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Missions- und kulturgeschichtliche Forschungen

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Der Titel dieses Buches beruht auf eine Aussage des Evangelisten Traugott Dâusab in Anlehnung an Jeremia 17, 8: „Der ist wie ein Baum, am Wasser ge­pflanzt und am Bach gewurzelt. Denn obgleich eine Hitze kommt, fürchtet er sich doch nicht, sondern seine Blätter bleiben grün, und sorgt nicht, wenn ein dürres Jahr kommt sondern er bringt ohne Aufhören Früchte.“

Die knorrige und ausdrucksvolle Erscheinung des Kameldornbaums (Acacia erioloba) ist typisch für viele Gebiete Namibias. In regenreichen Gegenden mit tiefgründigen Böden erreicht er eine stattliche Höhe. In seiner großen Baumkrone und seinem Unterholz schafft er ein Biotop für verschiedene Lebens­formen. Der rote Kern des Holzes ist eisenhart und kann nicht von Termiten zerstört werden. Durch sein tiefes und aus-gedehntes Wurzelwerk kann er wiederholt Trockenjahre überleben. Seine gelben Blüten sind unscheinbar kleine, duftende Bällchen. Die Hülsen-früchte des Kameldornbaumes bieten ein bevorzugtes Futter für Wild und Vieh. – Sicher alles Methapern für die Charakterbeschreibung eines Evan­gelisten, so wie er sich selbst verstand.

Dieses Buch sammelt die Einzelschicksale von namibischen Evangelisten, analysiert ihre Alltagsstrategien und beschreibt, wie sie in den verschiedenen Geschichtsphasen Namibias zwischen 1820 und 1990 gehandelt haben. Es ist Anliegen dieses Buches, den Evangelisten Namibias ein Profil zu geben, ihre spannenden Lebensskizzen nachzuzeichnen und damit den Blick auf die Geschichte Namibias zu differenzieren.

Dies ist die Geschichte der Evangelisten, die in besonderer Weise die Entstehung einer der bedeutenden protestantischen Kirchen Namibias geprägt haben. Die Geschichte dieser Kirche, der „Evangelical Lutheran Church in the Republic of Namibia“ (ELCIN), ist die Geschichte der Evangelisten. Mit den Biografien soll eine neue Perspektive auf die Entstehungsgeschichte erschlossen werden.

Auch die durchgehende Benutzung des Begriffs „Evangelist“ benötigt eine Erklärung, denn er hat im europäischen Kontext eine andere Konnotation als in dem historischen Zusammenhang, der hier beschrieben wird. Der Begriff für die hier zu beschreibende Gruppe von Menschen wandelte sich im Laufe der Missionsgeschichte Namibias. Generell fällt auf, dass die Missionare der Rheinischen Missionsgesellschaft sich selber zu keiner Zeit als Evangelisten bezeichnet haben – anders als es z. B. im anglophonen Bereich der London Missionary Society oder Wesleyan Methodist Missionary Society üblich war. Missionare des anglophonen Bereichs bezeichneten sich selber als Evangelisten.

Das Wort Evangelist hat die gleichen linguistischen Wurzeln wie Evangelium, das für die Belohnung der Überbringung einer guten Nachricht oder die gute Nachricht an sich steht. Im protestantischen Verständnis bedeutet Evangelium im Neuen Testament die Verkündigung Christi und der Erlösung, die mit ihm kommt. Der Evangelist wäre demnach der, der kommt, um diese Erlösung zu verkündigen, also der wandernde Prediger. Erst ab dem dritten Jahrhundert setzte sich die Bezeichnung Evangelist für die vermeintlichen Schreiber der Evangelien im Neuen Testament durch.