Jan A. und die Momente des Glücks

von

Das Erleben zweier Gesellschaftsordnungen führt den Autor zu der Frage nach dem Wert mühsam errungener Erkenntnisse.
Marathon –
Unter Tausenden allein, stundenlang nur mit meinen Gedanken. Ich quäle mich 42 km und genieße es zugleich. Den Blick klar und doch verschwommen. Wie Fasten und besoffen sein zugleich. So sind auch meine Geschichten für meine Lieben, aber doch auch für mich. Sind sie wahr und unwahr. So sind meine Sätze, zerrissen und doch eins. Sind meine Zeiten chaotisch, aber geordnet. Meine Worte, manchmal schmutzig und doch schön.
Kindheit –
in der Erinnerung sind es nur ein paar bunte Flecken. Die kleine Stadt an dem großen See, wir zur Miete bei Einheimischen, Kopfsteinpflaster und ein breiter Sommerweg.
1961, Berlin-
Opas Garten. Es war ein schöner Sommertag und der Garten ideal zum Toben. Ein winziges Häuschen nur – wir Jungens fanden es toll. Abends kam der Onkel von der Arbeit, die Russen wären aufmarschiert – es wird Krieg geben. Die Erwachsenen waren still.
1970, Odessa –
Grell, bunt, schön – schmutzig und erbarmungslos. Kriegsveteranen, ordengeschmückt und bettelnd auf der Straße. Invaliden des Großen Vaterländischen Krieges, ohne Beine, auf einem Brett mit Rollen, die Hände auf dem Pflaster, die ewige Flamme und die Katakomben, und jeden Tag der große Krieg im Kino. Menschen, die auf uns zugingen, andere, die uns anspuckten – Nemci. Und mit dem deutschen Gruß. Auch das.
1989 –
Es war friedlich, aber keine Revolution. Es war keine Wende. Eine Wende ist ein klares und mit starker Hand geführtes Manöver. Nein. Wir betraten alle einen Raum, der anscheinend niemandem gehörte. Und eine ungewohnte Zeit tickte laut und fordernd, als wolle sie sagen: NUN MACHT ETWAS DARAUS!