Kalkutta [IV]

Tagebuch IV

von

(…) Schließlich kam nach so manchen Tagen „schrecklicher Einsamkeit“, wie sie Mircea Eliade in seinem „Indischen Tagebuch“ beschreibt, der Tag meiner Abreise aus Kalkutta. Meine vier vollgeschriebenen Notizbücher hatte ich nach und nach im Goethe-Institut, im sogenannten „Max Mueller Bhavan“ kopiert, und die Vervielfältigungen vorsichtshalber der Praktikantin Dorothea überlassen, die einmal, so erzählte sie mir, bei Monsun von ihrer Wohnung zur Arbeit gegangen war, daß ihr, durch die überfluteten Straßen watend, das Wasser bis zu den Hüften gereicht hatte. Ich hätte es nicht überlebt, wenn meine Kalkutta-Tagebücher verlorengegangen wären, die abertausenden Eindrücke und Beobachtungen hätten mich, wären sie verlorengegangen, noch im nachhinein erdrückt und ich hätte, da ich mir nichts merken kann, das schreckliche Gefühl ganz und gar umsonst mutterseelenallein in Kalkutta gewesen zu sein. Beim Verlust dieser Reisetagebücher wäre ich nach Kalkutta zurückgekehrt und mit Hilfe meines nachtragenden, erbarmungslosen Schutzengels aus dem Fenster des Hotels „Bengali Club“ in den Tod gestürzt, es sei denn, ich hätte beim Abflug aus London mit der British Airways der Stewardeß in den Oberarm gebissen. (…)