Als August Hermann Francke (1663–1727) in Glaucha bei Halle sein Waisenhaus gründete, setzte er neue Maßstäbe im gesellschaftlichen Umgang mit Waisenkindern. Stand zuvor noch die Disziplinierung von elternlosen Kindern und Armen im konzeptionellen Vordergrund frühneuzeitlicher Waisenhäuser, so war Francke vor allem an einer guten Erziehung und Ausbildung seiner Waisenkinder interessiert. Im Geiste des Pietismus großgezogen, sollten sie als Multiplikatoren wirken und zu einer christlichen Verbesserung der Welt beitragen. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts strahlte Franckes Einrichtung mit ihrer christlich-sozialen Zielsetzung auf die Gründung weiterer Häuser in und außerhalb Deutschlands aus.
Die Jahresausstellung 2009 der Franckeschen Stiftungen ist die deutschlandweit erste Ausstellung zur Geschichte der Waisenfürsorge vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Der Begleitkatalog zur Ausstellung enthält nicht nur eine Zusammenschau der Exponate, sondern auch einige wissenschaftliche Beiträge, die neueste Erkenntnisse auf dem Feld der frühneuzeitlichen Waisenhausforschung zusammentragen.
Angefangen von den ersten kirchlichen Institutionen der Spätantike über Waisenhäuser im katholischen Süd- und Westdeutschland sowie in den Niederlanden vermittelt der Katalog ein facettenreiches Bild vom Umgang mit Waisen in der Frühen Neuzeit. Dadurch werden die von Francke eingeführten Neuerungen um so deutlicher. Neben der Betrachtung des Glauchaer Waisenhauses und dessen weltweite Ausstrahlung behandelt der Katalog den „Waisenhausstreit“ in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und den Umgang mit Waisenkindern im 19. und 20. Jahrhundert.
- Veröffentlicht am Donnerstag 10. Oktober 2024 von Harrassowitz, O
- ISBN: 9783447063340
- 232 Seiten
- Genre: Geschichte, Neuzeit bis 1918, Sachbücher