Die Erinnerung, so hat der Dichter Jean Paul einmal festgehalten, sei das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden könnte. Ist nicht auch die Kindheit so eine immerwährende Erinnerung für jeden von uns? In unserer schnelllebigen, modernen Zeit mit ihrer tagtäglichen Reizüberflutung bedienen wir uns elektronischer Hilfsmittel, um Geburtstage, Hochzeitstage und Besprechungen nicht zu vergessen, aber spricht man uns auf unsere Kindheit an, kommen die lebendigsten und buntesten Bilder aus den Kammern unserer Erinnerung hervor, als ob es gestern gewesen wäre. Wir erinnern uns an das schwere Parfüm unserer Großmutter, den träge machenden Qualm der Zigarren unserer Väter, den Duft frischgewaschener Wäsche, die in den Gärten auf der Leine trocknete, die kratzigen Pullover, die man uns im Winter über den Kopf gezogen hat, die Schmetterlinge im Bauch angesichts der ersten Liebe und wundern uns, warum gerade die Kindheit mit ihren haptischen, optischen und sensitiven Begleiterscheinungen einen so nachhaltigen Eindruck in unser individuelles Heute hinterlassen hat. Die in dieser Anthologie versammelten Autorinnen und Autoren beschreiben, unabhängig ihrer Generationszugehörigkeit, schöne und traurige Erlebnisse, glückseligmachende und traumatisierende Erfahrungen, die oftmals die weiteren Lebensläufe geprägt haben. Indem sie mit ihren Beiträgen die Kindheit wieder wachrufen, bauen sie eine Brücke zwischen Gestern und Heute, dem Vergangenen und dem Gegenwärtigen. Mit zunehmendem Alter, so die gemeinsame Botschaft der literarischen Texte, nimmt die Kindheit in unserer Erinnerung, in der persönlichen Rückschau, wieder einen zentralen Stellenwert ein.

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