Während der öffentliche Raum zunehmend möbliert, kommerzialisiert und dem Konsum unterworfen wird, wird das Private mehr und mehr von Öffentlichkeit durchdrungen – Grenzen zwischen privaten und öffentlichen Räumen verwischen, Privatheit ist im Begriff, in eine ‚Post-Privatheit‘ überzugehen. ´
Dennoch erweisen sich die Praktiken des privaten Wohnens gegenüber Veränderungen erstaunlich resistent. Wir essen und schlafen, kochen und lieben seit Jahrhunderten in nahezu unveränderten Raumkonstellationen. Doch sind es nicht gerade diese Räume und ihre Konstellationen, ihre Einrichtung und Architektur, also gesellschaftliche Normen, die unsere vermeintlich privaten Rückzugsorte bestimmen? Sind es nicht Auswahl und Positionierung der Gegenstände um uns, die Abgrenzungen, Ausdehnungen und Öffnungen der Räume, die unsere Praktiken lenken? Die Oberfläche des privaten Wohnens wäre dann ein Terrain, auf dem die gesellschaftlichen Konventionen – wie der Schutz des Eigentums, die Ausübung von Geschlechterrollen, der Umgang mit Hygiene sowie partnerschaftliche Gepflogenheiten – eingeschrieben und zugleich ausgetragen werden.
Sabine Pollak, Professorin für Architektur und Urbanistik, sucht in ihrem Buch ‚Kochen, Essen, Lieben. Architektur des privaten Wohnens‘ nach Spuren der Einschreibung solcher Konventionen und nach ihren Überschreitungen. Als Materialien dienen prototypische Privaträume des 20. Jahrhunderts wie das Haus Melnikov in Moskau, das Maison de Verre in Paris, die Villa Noailles in Südfrankreich oder das Monsanto House in den USA, Texte von Djuna Barnes, Pierre Klossowski und Marquis de Sade sowie Installationen von Diller&Scofidio, Dan Graham oder Martha Rosler. Sie alle verweisen auf die Bildhaftigkeit und zugleich auf die Fragilität der Oberfläche privaten Wohnens.
- Veröffentlicht am Donnerstag 14. November 2024 von Sonderzahl
- ISBN: 9783854494423
- 120 Seiten
- Genre: Architektur, Kunst, Literatur, Sachbücher