Hwang Tong-Gyu wurde am 9. April 1938 in Sukcheon in Nordkorea geboren und ist einer der
prominentesten Dichter Koreas. Seine Familie siedelte 1946 nach der Teilung
Koreas nach Seoul in Südkorea über. Nach dem Studium der englischen Literatur
an der Nationaluniversität Seoul und an der Universität Edinburgh lehrte er von
1968 bis zu seiner Emeritierung 2003 als Professor für englische Literatur an
seiner Alma mater in Seoul. Gegenwärtig ist er Ehrenprofessor seiner Universität
und zugleich Mitglied der Nationalen Akademie der Künste.
Hwang machte sein Debüt 1958 schon während seiner Studienzeit mit der
Veröffentlichung der Gedichte, „Ein freudiger Brief“, jetzt ein beliebtes
Volkslied, und „Oktober“ in der Zeitschrift Hyeondae Munhak. Seitdem hat er
sechzehn Gedichtsammlungen herausgebracht und wurde dafür mit mehreren
renommierten Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Hyeondae-Literaturpreis,
dem Kim-Jongsam-Literaturpreis, dem Daesan-Literaturpreis, dem Midang-
Literaturpreis, dem Manhae-Großpreis im Bereich Literatur, dem Kim-Daljin-
Literaturpreis, dem Ku-Sang-Literaturpreis und 2016 dem Hoam-Preis im Bereich
Künste, der als der höchste Preis für einen Schriftsteller und Künstler in Korea
gilt. Seine Gedichte wurden ins Chinesische, Deutsche, Englische, Französische,
Mongolische und Spanische übersetzt. In deutscher Übersetzung liegen bereits
fünf Gedichtsammlungen vor, erschienen im Ostasien-Verlag: Die Stille der
Blüten (2015; kor. Originalausgabe 2006), Winternacht 0 Uhr 5 Minuten (2015;
kor. Originalausgabe 2009), Freude am Leben (2017; kor. Originalausgabe 2013),
Es gab auch die Zeit, da ich mich an den Zufall lehnte (2017; kor. Originalausgabe
2003), Windbestattung (2018; kor. Originalausgabe 1995).
Hwangs Gedichte zeichnen sich dadurch aus, dass sie menschliche Gefühle
und Erfahrungen in feinster Sensibilität erfassen und diese mit eindrucksvoller
Bildhaftigkeit und tiefer Reflexion zur Sprache bringen. Hwang nahm den
westlichen Modernismus auf, ließ sich aber nicht von ihm überwältigen, sondern
verband ihn kreativ mit der koreanischen Lyriktradition und eröffnete so eine neue
Perspektive innerhalb der Lyrik Koreas. Entsprechend wird Hwangs Dichtung
von vielen Literaturkritikern mit Begeisterung gerühmt:
Seine Dichtung stehe auf dem „Höhepunkt der modernen koreanischen Lyrik.“
(Yu Jong-Ho)
Er sei der Dichter, der „das höchste Niveau erreicht hat, das die koreanische
Dichtung erreichen kann.“ (Kim Byeong-Ik)
Und ganz ähnlich: Seine Dichtung habe „das höchste Niveau erreicht, das die
koreanische Sprache anstreben kann.“ (Lee Soong-Won)
Im Laufe seines ein halbes Jahrhundert umfassenden Dichterlebens durchlief
Hwangs Lyrik, auch infolge seines bewussten Strebens, bezüglich der Themen sowie
der Form Wandlungen in mehreren Stadien. Die früheren Gedichte, die mit lyrisch romantischem
Grundton den Verlust der Liebe und eine tragische Weltauffassung
zum Ausdruck brachten, wurden in der finsteren Zeit der Militärdiktatur durch
Gedichte abgelöst, die Angst und Frustration vor der gewaltsamen politischen
Wirklichkeit darstellten sowie Solidarität und Widerstand gegen das Regime
hervorriefen. In seinen mittleren Dreißigern versuchte er, durch eine dichterische
Gestaltung der von ihm so genannten „Drama-Lyrik“ die Gedichte zu Räumen zu
machen, in denen das dichterische Ich sich wie in Dramen verwandelt und gleichsam
wiedergeboren wird. Diese Form der „Drama-Lyrik“ bildete seitdem einen für seine
Dichtung charakteristischen Bestandteil. In seinen mittleren Vierzigern führte der
Dichter einen wichtigen Wandel herbei. Er begann mit den Gedichten unter dem Titel
„Windbestattung“ eine Reflexion über das Sterben, die er zurückblickend „eine Reise
zur Loslösung vom Fleisch“ (Windbestattung, S. 5) nannte und die sich nunmehr über
vierzehn Jahre erstreckte. Das Ergebnis war der Gedichtzyklus mit dem Titel Pungjang
(풍장), „Windbestattung“ (1995) mit siebzig Gedichten. Durch diese Reflexion
gelangte der Dichter zu der Einsicht, dass Leben und Sterben nicht im Gegensatz
zueinander, sondern in untrennbarem Zusammenhang miteinander stehen. Denn
der Sinn des Lebens, die Kostbarkeit und Intensität des Lebens erschließt sich erst
durch das Sterben. „Das Sterben und die Verzückung des Lebens sind Blüten, die
auf ein und demselben Zweig blühen. Wie wäre die Verzückung des Lebens möglich
ohne das Sterben?“ (Windbestattung, ebenda). Die Reflexion über das Sterben
erscheint demnach als das stete und wichtigste Thema des Dichters, das alle seine
nachfolgende Gedichtsammlungen durchzieht und durch den Versuch weitergeführt
wird, die Grenze zwischen Leben und Tod zu verwischen und dadurch das Sterben
zu transzendieren, zugleich sich aber auch angesichts dieses menschlichen Schicksals
zu leeren. Der Dichter verharrte jedoch nicht nur bei diesem Thema, sondern griff
darüber hinaus nach anderen Themen. Beachtenswert ist z.B. der Versuch, Jesus
und Buddha miteinander sprechen zu lassen und durch die Gespräche der beiden
Heiligen die Dichotomie der beiden Religionen zu dekonstruieren und zu zeigen,
dass das Ziel der beiden Religionen letztlich gleich ist (Die Stille der Blüten, Es gab
auch die Zeit, da ich mich an den Zufall lehnte). Auch das Motiv der Schmerzen,
denen kein Mensch und auch kein Lebewesen in dieser Welt entgehen kann,
beschäftigte den Dichter, was ihn schließlich zur Ehrfurcht gegenüber allen
leidenden Existenzen führte. (Winternacht 0 Uhr 5 Minuten). Er befasste sich
zudem mit dem Altern, mit dem er konfrontiert ist. Er versuchte, darin Schönheit
und Freude zu entdecken (Freude am Leben).
- Veröffentlicht am Mittwoch 13. November 2024 von Edition Delta
- ISBN: 9783927648739
- 156 Seiten
- Genre: Belletristik, Deutsch-weitere Fremdsprachen, Zweisprachige Ausgaben