Kritische Robert-Walser-Ausgabe

von

‚Jung. Schriftsteller s. Stelle als Sekretär, Reisebegleiter oder Vorleser. Gefl. Offerten an Robert Walser, Täuffelen, Kt. Bern.‘

Mit diesem Stelleninserat war am 4. April 1902 der Name ‚Robert Walser‘ erstmals in der Neuen Zürcher Zeitung zu lesen. Was sich daraus ergeben hat ist nicht bekannt. Doch rechtzeitig zum Weihnachtsfest des Jahres 1904 hat dann im Feuilleton Fritz Marti Walsers erstes Buch Fritz Kocher’s Aufsätze besprochen. Bis der erste Text Walsers in der NZZ gedruckt wurde, sollten noch zehn Jahre vergehen. Im November 1914 erschien das Prosastück Denke dran. Seit vier Monaten befand Europa sich im Kriegszustand. Walsers Feuilleton, formuliert als privat-persönliches Memento mori, war auf diesen Hintergrund nur implizit bezogen. Doch im Zeitungskontext, den diese Edition erstmals dokumentiert, ist der Bezug nun unübersehbar.

Der Band III 3 der KWA versammelt chronologisch sämtliche Feuilletons von Robert Walser, die zu seinen Lebzeiten in der NZZ erschienen sind. Ein graphisches Schema mit einer erläuternden Legende repräsentiert die Zeitungsseite, auf der die Texte ursprünglich zu lesen waren. Die Faksimiles der entsprechenden Zeitungsseiten sind auf der begleitenden DVD einsehbar. Abgeschlossen wird der Band durch ein Editorisches Nachwort, das Walsers publizistische Beziehung zur NZZ beschreibt. Ein Dokumentarischer Anhang versammelt Zeugnisse, die diese Beziehung illustrieren und die zugleich beleuchten, welche bedeutende Rolle die NZZ damals als steuernde Instanz des deutschschweizerischen Literaturbetriebs gespielt hat.

Das Konvolut der insgesamt 80 Textabdrucke in der NZZ erlaubt dabei einen diachronen Blick auf Walsers schriftstellerische Entwicklung nach seiner Rückkehr aus Berlin in die Schweiz und macht erstmals den Vergleich mit den in anderen Zeitungen und damit in anderen kulturellen Rezeptionskontexten erschienenen Texten möglich, sei es im Berliner Tageblatt (KWA III 1), sei es in der Frankfurter Zeitung oder in den deutschsprachigen Zeitungen Prags, die seit Mitte der Zwanziger Jahre zu den Hauptabnehmern für Walsers Feuilletons gehörten.

Zu entdecken ist in dem Band ein bislang in keiner Walser-Ausgabe gedrucktes Prosastück: Dornröschen, erschienen in der NZZ am 22. Juni 1919. Auch andere Texte sind in der hier präsentierten Gestalt erstmals zu lesen – so eine Reihe von Erstfassungen, die stark überarbeitet in den Sammelband Poetenleben eingegangen sind.