Kunststoff

von

Der (geniale) Dichter Erik und der (namenlose) Erzähler sind beste Freunde. Roter Faden ihrer Geschichte ist eine gemeinsame Lesereise, auf der sich der Erzähler als Tourmanager jedoch nicht nur um die Organisation kümmern muss, sondern vor allem um die Kreativität und Konstitution des psychisch labilen Poeten. Die aufwühlende Tour u.a. durch die Metro-polen Berlin, Frankfurt, München und Wien findet immer wieder kleine Pausen auf einem Bauernhof in Ostdeutschland, wo sich Erik einen Rückzugsort geschaffen hat. Alles könnte so seinen Gang gehen, doch dann taucht Eva auf. Eine wieder auflodernde Dreiecksbeziehung stellt die Männerfreundschaft auf die Probe. Als Erik, der sich immer eigenwilliger und provokanter verhält, plötzlich spurlos verschwindet, liegt Unheil in der Luft.
Kunststoff behandelt den klassischen Konflikt zwischen Auflehnung und Anpassung. Wann muss der Einzelne dem System die Zähne zeigen, wann ist er machtlos? Was macht Geld mit Menschen? Und vor allem: Was macht kein Geld mit Menschen? Natürlich geht es auch um die Liebe – und ihre beiden Schwestern: Hoffnung und Enttäuschung. Was passiert, wenn zwei die eine lieben? Diese grundlegenden Fragen umspielt der Autor mit präziser, aber auch sensibler Sprache, variiert sie, schlachtet sie gekonnt aus – und inszeniert ein mitreißendes Wechselspiel aus Zustimmung und Empörung, aus Sprachlosigkeit und Wortgewalt.
Gerrit Jöns-Anders erweist sich erneut als scharfsinniger Beobachter. Seine Figuren taumeln an filigranen Marionettenfäden auf den großen Knall zu. Die überraschende Wendung ist eine der großen Stärken des Buches.
Kunststoff ist Literatur über Literatur, in bester Tradition eines Philippe Djian oder der Beat-Poeten. Direkt von „unterwegs“ – für eine Generation, die voll unter Dampf steht und der Hören und Sehen vergeht angesichts dessen, was sich um sie herum und mit ihr abspielt.