Lebenserinnerungen

Lebensspuren der Familie von Riekhoff-Bresinsky Im Osten - diesseits und jenseits der Narwa

von

Erinnerungen an eine glückliche und unbeschwerte Kindheit in einem Pastorat hoch über dem idyllischen Fluss bei Torgel/Tori in Estland, dann auf der Ostseeinsel Ösel/Saaremaa bestimmen zunächst den Rückblick des Hans von Riekhoff bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Aber die scheinbare Idylle jener Tage war auch damals schon trügerisch. Sie sollte endgültig zerbrechen mit dem Beginn der Kampfhandlungen, in denen Deutschland und Russland sich als Gegner gegenüberstanden.
Die deutschen Familien in Estland waren formell loyale Staatsbürger des Russischen Reiches, ihrer Abstammung, ihrem Fühlen und Denken nach aber Deutschland verbunden. In dieser Konfliktsituation haben die Eltern von Hans eine schicksalsträchtige Entscheidung getroffen. So wird die Familie ins Innere des Russischen Reiches nordöstlich von Moskau verschlagen. Hans schildert die Schwierigkeiten dieser Umstellung, aber auch die Großartigkeit der Taiga-Natur im Norden Russlands. Um die Familie durchzubringen und den Kindern eine angemessene Ausbildung zu vermitteln, wurde ein Teil der Familie von den Eltern zu Verwandten in den Süden des Russischen Reiches nach Baku am Kaspischen Meer verschickt. Die weite Bahnreise dorthin und das Eintauchen in eine teilweise vom Islam geprägte Welt innerhalb des Zarenreiches werden von Hans erlebt und eindringlich dem Leser nahe gebracht. Auf Jagdstreifzügen in den Kaukasus lernt er diese grandiose Bergwelt kennen. Er ist beeindruckt von Sitten und Gebräuchen eines dort lebenden, die Freiheit liebenden, gleichermaßen stolzen wie gastfreundlichen kaukasischen Bergvolkes.
Zunehmend wird aber das Leben in Baku, wie im ganzen Russischen Reich, durch die Folgen der Revolution und durch den nach der Entmachtung des Zaren entbrennenden Bürgerkrieg überschattet. Hans erlebt diese sehr schwierige, oft von Gefahren für das eigene Leben begleitete Zeit, zunächst in Baku. Dann ist er auf der Flucht vor den ihn einholenden Ereignissen. Er wird an die Wolga bei Nikolajewsk zwischen Zaryzin /Stalingrad und Saratow verschlagen. Er schildert die dortigen Schulverhältnisse bis zum Abitur an einem russischen Gymnasium. Danach, auf sich alleine angewiesen, bedarf es in der Zeit des Umbruches eines hohen Maßes an Schlauheit und Zähigkeit, um überhaupt am Leben bleiben zu können. Hans schafft es nicht zu letzt dank hilfreicher, liebenswerter Menschen. Er beschreibt die Herausforderungen, die an ihn, den kaum der Kindheit Entwachsenen, herangetragen werden. Er bewahrt sich dabei seine staunende Offenheit gegenüber den Schönheiten der Natur und lässt den Leser daran teilhaben, sei es an der mächtigen Wolga oder in der Steppe östlich dieses russischen Schicksalsflusses.
Das Hin und Her der einander widerstrebenden Kräfte wird schließlich zugunsten der Roten entschieden. Hans muss sich nun auf abenteuerliche Weise zunächst nach Baku und dann zurück nach Estland zu seiner Familie durchschlagen. Das hierbei Erlebte und Durchlittene übersteigt weitgehend unser Vorstellungsvermögen. Die Hälfte der engeren Familie von Hans überlebte den Sturm der Zeit nicht.
Der Herausgeber dieser Erinnerungen, Andreas Bresinsky, bettet die Schilderungen seines Onkels Hans in einen Rahmen, der Landeskundliches aus dem Baltikum mit seinem eigenen familiengeschichtlichen Hintergrund verbindet und Autobiographisches bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges einfließen lässt.