Lebenslichter

von

Ein Lächeln, das mich froh macht, alle Bedenken, ob mir die Besuche nicht doch zu viel werden könnten, wie von Zauberhand weggewischt. Reine Freude ist dann nur in mir, wie eine Hitzewelle steigt sie in mir auf, die Freude darüber, dass ich Christine jetzt etwas davon zurückgeben kann, was sie mir in meiner Kindheit in aller Fülle gegeben hat – ihre ganze Liebe. Denn wie eine besorgte Glucke hat sie stets auf mich Acht gegeben, wurde einfach nie müde, für mich da zu sein, wenn die Mutter zu sehr beschäftigt war. Und wenn ich sie frage, „warum hast du das alles für mich getan?“, antwortet sie nur: “Du warst doch so süß“.
Heute war wieder so ein Geschichtenerzähltag. Ich hatte ihre Hände in den meinen gehalten, ganz fest, und dabei das Zittern gespürt, anfangs so heftig, dass ihre Fingerknöchel wie wild auf der kalten Tischplatte trommelten, schließlich aber gemerkt, wie langsam Wärme und Ruhe in diese Hände kam, das Zittern abebbte und eine erwartungsvolle Spannung sich zwischen uns ausbreitete. Gerade, als ich noch überlegte, was ich denn heute er-zählen sollte, fiel mir ein, dass Christine mir, als ich noch sehr klein war, wahrscheinlich das Leben gerettet hatte. „Du hast mir einmal das Leben gerettet, Christine, erinnerst du dich? Das war, als ich in den Sumpf gelaufen bin“, fragte ich sie daher, noch immer ihre Hände in den meinen. An ihrer von tiefen Falten zerfurchten Stirn merkte ich, dass sie sich zu erinnern versuchte. Sie strengte sich an, sie strengte sich wirklich an, doch ihr weinerlich verzogener Mund zeigte mir schließlich – ohne Erfolg. „Komm, ich helf dir, versuchen wir, uns gemeinsam zu erinnern“, sagte ich daher, drückte ihre Hände aufmunternd noch fester und begann schließlich, die Geschichte zu erzählen, unsere Geschichte:
Netti und Karl – ein Leben zwischen zwei Weltkriegen, ein Leben, das viel Mut und ihre ganze Kraft gefordert hatte.