Leid in Liebe wandeln

Die Briefe der Familie Pfaff. 1943-1945

Deutschland im Krieg, im Zweiten Weltkrieg: Wie lebten, dachten, fühlten die Menschen damals? Geschichtsbücher geben darüber nur dürftige Auskünfte. Wer mehr wissen will, sollte Briefe aus jener Zeit lesen, private, nur für die Empfänger bestimmte Briefe. Sie spiegeln den Alltag, die Befindlichkeit, die Sorgen, Nöte, Freuden und Schrecknisse, sie spiegeln Leben. Es ist stets ein Glücksfall, wenn solche Briefe aufbewahrt werden, mehr noch: wenn sie anderen, später lebenden Menschen zugänglich gemacht werden.
Ein solcher Glücksfall sind die Briefe der Familie Pfaff aus Wolfenbüttel. Der Vater ist Mathematiklehrer am Gymnasium dort, die Mutter gibt privaten Musik- und Klavierunterricht, der Sohn, ihr einziges Kind, macht gerade sein Abitur. Der Krieg reißt sie auseinander: Der Vater wird Soldat in Norwegen, der Sohn Soldat in Frankreich und an der Ostfront, die Mutter Rot-Kreuz-Helferin in Holland und Norwegen. Was ihnen bleibt, sind die Briefe, die sie schreiben.
Nicht alle, aber die meisten überdauern den Krieg: Der Vater beschreibt seiner Frau hinreißend schön Land und Leute unter der Mitternachtssonne und in der Polarnacht, die Mutter schildert dem Sohn und ihrer Mutter den Alltag in den Soldatenheimen, die sie leitet, und die Schrecknisse der Bombardierungen in der Heimat, und der Sohn, Peter, berichtet von seinem Einsatz beim Reichsarbeitsdienst in Litauen, von den Erlebnissen in Frankreich, bei der Offiziersausbildung in Bergen bei Celle, von seiner Fahrt an die Ostfront, wo er, erst 19 Jahre alt, im Oktober 1944 fällt.
Diese Briefe Peters sind von besonderem Interesse: Sie zeigen einen jungen Mann, der, herausgerissen aus einer behüteten, christlich-idealistisch geprägten Welt, sich in einer völlig anderen, rauen, härteren, grausamen Welt zurechtfinden muss und darum ringt, sich seine Ideale, sein Bild vom Menschen, seinen Glauben verwandelt zu bewahren. Dabei wächst ihm eine innere Reife zu, die fast schon etwas von Vollendung ahnen lässt.