Große Komiker sind selten. Große Komiker, die nicht nur Darsteller, sondern auch Dichter sind, noch seltener – Molière war unzweifelhaft beides: begnadeter Meister der Posse wie überragendes poetisches Genie. Als scharfer Beobachter verstand er es, die Menschen mit all ihren Fehlern und Schwächen in ihrer Lebendigkeit, aber auch in ihrer widersinnigen, oft unfreiwilligen Komik auf die Bühne zu bringen – bühnentechnisch überzeichnet und dennoch wahrheitsgetreu. Es war Molière, der die Komödie zu einer poetischen Gattung erhob; über viele Jahre erster Theaterdichter seines Königs Ludwig XIV., stellte er die Komödie neben das klassische Drama eines Racine oder Corneille und machte sie hoffähig. Doch trotz seiner Nähe zum Hof wagte er es, die Gesellschaft seiner Zeit öffentlich und schonungslos in ihrer Heuchelei und Gleichgültigkeit, in ihrer Beschränktheit, ja Hausbackenheit, in ihrem Egoismus und ihrer Korrumpiertheit bloßzustellen, religiöse und literarische Sitten und Zustände zu verspotten und seine Zeitgenossen auf ihr menschliches Maß zurückzuführen. Die prunkvollen Inszenierungen seiner Komödien-Ballette boten dem absolutistischen Hof eine Bühne der Selbstdarstellung, die durch seine Charakterstudien jedoch über den Rang der reinen Unterhaltung hinausgehoben und zu einem kritischen Spiegel der zeitgenössischen Gesellschaft wurden.
Mehr als 30 seiner Stücke sind überliefert; sie haben ihn, den Autor, überlebt, ebenso wie seine mit psychologischer Raffinesse gezeichneten Figuren: Tartuffe, der Menschenfeind, der eingebildete Kranke oder der Geizhals sind zu festen Größen in der französischen, ja der europäischen literarischen Tradition geworden. Molières Werke finden als Repertoirestücke weltweit seit über 300 Jahren immer wieder den jeweiligen Zeitgeist treffende Interpretationen.
So kann man denn die Frage nach seiner Aktualität für das 21. Jahrhundert entschieden bejahen. Die Formen des Lustspiels mögen sich verändert haben – die Komödie ist in ihrem Wesen geblieben, wie wir sie von Molière kennen. Molières Kunst in ausgewählten Zitaten kennen zu lernen, sich einer Lektüre seiner Werke zu widmen, verspricht nicht nur beste Unterhaltung, sondern auch tiefe Einblicke in die komplexe Philosophie eines Mannes, der seine Zeit mit Mut und Verstand, klarem Blick und scharfer Zunge geprägt hat.
- Veröffentlicht am Freitag 17. Februar 2012 von Iudicium
- ISBN: 9783862050901
- 1203 Seiten
- Genre: Lexika, Nachschlagewerke, Sachbücher