Lu Xun (1881–1936) gilt als Vater der modernen chinesischen Literatur. Gleichwohl ist es um ihn nach 1989 still geworden, denn die Kommunistische Partei Chinas hatte ihn zu ihresgleichen gerechnet und dabei sein Werk ideologisch verzerrt. Jetzt gilt es ihn wiederzuentdecken: als großen Erzähler, als bedeutenden Essayisten, als wichtigen Poeten und auch als leidenschaftlichen Briefeschreiber.
In den Briefen an seine Studentin und spätere Frau Xu Guangping, in Peking, Amoy und Shanghai zwischen 1925 und 1929 verfasst, begegnet uns kein Ideologe und auch nicht der spätere überscharfe Satiriker, sondern ein Mensch in seinen Schwächen, in seinen Sehnsüchten und in seinem Leiden.
Die zwanziger Jahre sind für Lu Xun eine Übergangsphase. Er verlegt sich immer mehr vom Erzählen auf den Essay, der es ihm ermöglicht, über China verstärkt kritisch nachzudenken. In diese Übergangsphase gehören auch die Briefe, in denen er die Frage nach dem Wesen der chinesischen Zivilisation stellt. Dabei fällt sein Urteil alles andere als schmeichelhaft für das Reich der Mitte aus.
Der Lu Xun der Briefe ist aktuell, weil er schonungslos über den Zustand der damaligen Zeit Auskunft gibt, aber auch sich selber nicht schont. Das China der zwanziger Jahre ist nicht einfach vergangen. Was Lu Xun ihm zuschreibt, gilt oft auch heute noch in erschreckender Weise.
Wer sich vom ideologischen Ballast der gängigen Interpretationen befreit, wird einen neuen Lu Xun entdecken, einen Lu Xun von großer Sprachkraft und tiefer Einsicht.
Aus dem Chinesischen vom Arbeitskreis für moderne chinesische Literatur an der Universität Bonn. Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Wolfgang Kubin.
- Veröffentlicht am Montag 21. September 2009 von OSTASIEN Verlag
- ISBN: 9783946114116
- 342 Seiten
- Genre: Belletristik, Briefe, Tagebücher