Lipp geht

Erzählung

von

Schon in ihren früheren Erzählungen hat Eleonore Frey vorgeführt, wie Texte sich ihre Protagonisten erfinden, und wie diese Personen sich Biografien anprobieren – bis hin zur spielerischen Neuerschaffung der ganzen Welt im Siebentagebuch.

In Lipp geht sehen wir einer Frau in Paris zu (oder besser: hören wir ihr zu), wie sie einem Clochard, einem aus allen bürgerlichen Lebenszusammenhängen Herausgefallenen einen Lebenslauf erfindet, gewissermaßen den Roman eines Lebens. Wie immer in Eleonore Freys Geschichten gehen im Lauf der Erzählung alle Gewissheiten verloren, häufen sich unterm Strich mehr Verluste als Gewinne, wachsen die Unsicherheiten und die Fragen.
‚Ich verstehe nicht, sagt Madame. Das ist bereits ein Fortschritt, sagt der Mann in Weiß.‘

Unüberhörbar leise ist die Erzählstimme von Eleonore Frey, wie sie der Kontinuität, den jähen Unterbrechungen und Stillständen eines Lebens nachspürt. Mit äußerster Einfühlungskraft und gleichzeitig großer Distanz demonstriert sie immer wieder neu die Bodenlosigkeit jeder Literatur, ohne je darauf zu vergessen, dass dem Leser aber feste Gewissheiten in jedem Fall lieber sind …