Literatinnen um 1900

von

Dieser Band bereichert die Reihe „Literatinnen um 1900“ um eine weitere interessante Facette: Toni Schwabe (1877–1951) positioniert sich mit ihrem Erstlingsroman als lesbische Autorin avant la lettre. Erschienen 1902, berührte er lange vor der Etablierung des Sujets in den 20er Jahren behutsam das Thema weiblicher Homoerotik. Thomas Mann bedachte den Roman in einer Hymne auf das „Ewig Weibliche“ mit größtem Wohlwollen, die Forschung brachte ihn als Prätext mit Tonio Kröger in Zusammenhang.
Von Ausbruchswünschen und Entdeckungslust getrieben, begibt sich die Protagonistin Esther Franzenius auf eine Reise, die zu einer verzweifelten Suche nach einem individuellen Lebensentwurf, nach künstlerischer Selbstfindung und erotischer Identität wird. Wie bei den meisten Schriftstellerinnen ihrer Zeit, bestimmten bei Toni Schwabe weibliche Emanzipationsbestrebungen und das Ringen um künstlerische Ausdrucksformen und Produktivität auch die eigene Biographie: Sie war Gründerin eines Verlags und einer Zeitschrift, als Übersetzerin und Herausgeberin tätig und stand u.a. mit Sophie Hochstetter, Frieda von Bülow und Magnus Hirschfeld in Kontakt. Ungeachtet jeder gesellschaftlichen Konvention lebte Toni Schwabe ihre Liebe zu Frauen in verschiedenen Beziehungen und thematisierte dies vor allem in ihrer Lyrik auch sehr deutlich.