Ludwig Wittgenstein

Vier Originalmanuskripte, darunter die Hauptwerke

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Die von uns erstmals angebotene Sammlung von Originalmanuskripten aus dem Nachlaß von Wittgensteins Freund Rudolf Koder (1902-1977) enthält die Kerntexte des größten Philosophen des 20. Jahrhunderts, darunter jene zwei Werke, die Wittgenstein gleichsam als sein Lebenswerk in einem Band veröffentlicht sehen wollte. Philosophische Untersuchungen der Logisch-Philosophischen Abhandlung entgegengestellt war der Titelvorschlag, den Wittgenstein 1943 der Cambridge University Press hierfür unterbreitete. Die aus Nestroys Schützling entlehnten Worte „Überhaupt hat der Fortschritt das an sich, daß er viel größer ausschaut, als er wirklich ist“ sollten die beiden Eckpunkte seines Schaffens (hier Nr. 1. u. 4) verbinden, das dem Buch voranzustellende Motto sollte den Zusammenhang zwischen Früh- und Spätwerk herstellen.

Ebenso wie das Redemanuskript der Lecture on Ethics (Nr. 2) galten diese beiden Manuskripte bis 1993 als verschollen; Wittgensteins Nachlaßverwalter Georg Henrik von Wright erinnert sich zwar, sie 1952 in der Villa Toscana in Gmunden bei Wittgensteins Schwester Margaret Stonborough-Wittgenstein gesehen zu haben, muß jedoch bei Abfassung des Nachlaßverzeichnisses resigniert feststellen, daß alle „seine späteren Versuche [diese] wieder ausfindig zu machen [.] erfolglos gewesen sind“. Im Verzeichnis von Wittgensteins Nachlaß (In: G. H. v. Wright. Wittgenstein. Frankfurt a. M., Suhrkamp, 1986, 45-76) kann er die drei Werkmanuskripte somit nur als „verloren“ und ohne nähere Angaben zu Umfang und Kollation führen (ebd., Nr. 139b, 142 und 204).

Gänzlich unbekannt blieben bis zuletzt Wittgensteins Tagebücher aus den Jahren 1930-32 bzw. 1936-37 (hier Nr. 3), Wittgensteins Nachlaßverwalter hatte sie bei seinem Besuch in Gmunden offenbar nicht zu Gesicht bekommen. Deren unerwartetes Auftauchen im Nachlaß Koder und die 1997 erfolgte Erstedition derselben unter dem Titel Denkbewegungen wurde wohl nicht nur innerhalb der engeren Fachwelt als „Sensation“ (so zumindest die Verlagsankündigung) wahrgenommen.

Offenbar ohne die Nachlaßverwalter des Philosophen davon in Kenntnis zu setzen, hatte Margaret Stonborough-Wittgenstein diese vier, ihr von ihrem Brude noch zu Lebzeiten anvertrauten Manuskripte bald nach dessen Ableben als „Erinnerungsstücke“ an Wittgensteins Freund Rudolf Koder weitergegeben; erst 40 Jahre später sollten dieselben dann in dessen Nachlaß wiederentdeckt werden (vgl. J. Koder. Verzeichnis der Schriften Ludwig Wittgensteins im Nachlaß Rudolf und Elisabeth Koder. In: Mitteilungen aus dem Brenner-Archiv 12 (1993), 52-54). Wittgenstein hatte Koder schon 1920 während der gemeinsamen Volksschullehrerzeit in Niederösterreich kennengelernt, in engem freundschaftlichen Kontakt und Austausch standen die beiden bis zu seinem Tod (vgl. L. Wittgenstein u. R. Koder. Wittgenstein und die Musik: Briefwechsel. Innsbruck, Haymon, 2000).