Lukas

Eine deutsche Erzählung

von

Lukas wird im Herbst 1943 im noch nicht zerstörten Leipzig geboren. Seine Familie überlebt die Luftangriffe, sein Vater den Krieg an der Front und die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Er gehört zur Generation, die „Klapperlatschen“ und Igelitschuhe an den Füßen trägt, die künstliche Leberwurst isst und tägliche Stromsperren erlebt. In seinem Schulranzen gibt es noch die Schiefertafel und das Pennal.
Durch häufige Umzüge der Eltern wechselt er oft die Schulen, kommt aus Sachsen nach Brandenburg. Er ist neun Jahre alt als Stalin stirbt. Mit dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 erwacht sein Bewusstsein für die offene deutsche Frage. In der Schule hört er sowohl vom berühmten sowjetischen Gärtner Mitschurin als auch von Goethes Kindheit am Großen Hirschgraben in Frankfurt am Main. Die Umschläge seiner Schulhefte sind mit Bildern von Naumburg und Heidelberg geschmückt. Sie tragen den Aufdruck „Deutschland, du liebe Heimat“. Zu seinen Spielplätzen gehören die noch allgegenwärtigen Ruinen. Spielzeug sind Patronen und Granaten von den Schlachtfeldern rund um Frankfurt an der Oder.
Unweit von Berlin lebend, lernt er durch viele Besuche in Berlin den Westen kennen, erlebt, wie Mitschüler und Freunde seiner Eltern „nach drüben“ gehen. Sein Oberschulantrag wird abgelehnt, da er nicht an der Jugendweihe teilnimmt. Ist es jetzt an der Zeit, auch das Land zu verlassen? Ein Kompromiss wird gefunden, die Familie bleibt. Der frühe Tod des Vaters beendet seine unbeschwerte Kindheit. Er zieht mit der Mutter in seine Geburtsstadt Leipzig. Die Distanz zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR wächst und mündet in Ideen zu politischem Widerstand, die schließlich zu seiner Verhaftung führen …