Machttheorie oder Werttheorie

Die Wiederkehr eines einfachen Marxismus

von

Die neoliberale Globalisierung seit dem Ende des 20. Jahrhunderts und erst recht der Ausbruch der Großen Krise 2008ff. haben nicht nur in der politischen Linken, sondern auch in den kritischen Sozialwissenschaften zu neueren Kapitalismusanalysen geführt. Insbesondere die Topoi des Finanzmarktkapitalismus, der ‚Landnahme‘, eines neuen Imperialismus der ‚Akkumulation durch Enteignung‘ oder einer Finanzialisierung der Unternehmenssteuerung stehen dabei im Zentrum der Diskussion.

Michael Wendl stellt diese theoretischen Entwicklungen auf den Prüfstand, indem er sie an einen zweiten theoriepolitischen Diskussionsstrang der letzten Jahre zurückbindet: die neue Marxlektüre. Danach steht im Zentrum der Marxschen Kritik der Politischen Ökonomie jenseits aller ‚Varieties of Capitalism‘ der Nachweis einer ‚ökonomischen Alltagsreligion‘, eines mystifizierten Zusammenhangs von Struktur und Handlung für alle Akteure im Kapitalismus.

Insbesondere an den Arbeiten von David Harvey, aber auch den Untersuchungen aus der kritischen Industrie- und Arbeitssoziologie (Klaus Dörre) wird gezeigt, dass in ihnen – befördert durch Staats- und Zentralbankinterventionen im Krisenverlauf – dieser ökonomisch mystifizierte Strukturzusammenhang wieder in eine macht- und handlungstheoretische Sichtweise aufgelöst wird. Das führt dann auch in der Zeit- und Krisendiagnose zu Rückfällen in traditionalistische Kapitalismuskritik der Arbeiterbewegung aus dem untergegangenen ‚Zeitalter der Extreme‘.