Marktstubengespräche

Corona stoppt sie nach über 50 Klassentreffen

von

Sind Klassentreffen eine Filterblase oder nur ein Bläschen? Es gibt die These, dass uns eine Personalisierung durch Algorithmen eher mit dem in Kontakt bringt, was wir schon wissen, anstatt unser Wissen zu erweitern. Das heißt, ein Konzept der algorithmengeschaffenen Informationsblase? Ja, Echokammern, soziale Milieus, in denen Gleichgesinnte unter sich sind und bleiben. Was es natürlich auch schon lange gibt, denn sich ständig kognitiver Dissonanz auszusetzen, kann leicht Kopfschmerzen bereiten. Wobei auf Facebook Gesinnungsblasen meistens handgemacht sind. Stimmt, durch Likes und Freundschaftsanfragen kann jeder sein soziales Milieu mit homogenen Weltbildern selbst nachbauen. Vielleicht gab es früher ja noch mehr Filter Bubbles? Könnte sein, als die meisten auf dem Dorf oder in kleinen Städten lebten, als nämlich wenige Männer das kontrolliert haben, was an Informationen zugänglich war. Der Lehrer, der Priester oder so.? Genau, und dann kam das Anfangszeitalter der Suchmaschinen. Bevor also das komplette Surfverhalten ausgelesen wurde? Ja, und als Algorithmen noch keine predicition engines waren. Oder als Personen, die dasselbe googelten auch noch das gleiche Ergebnis erhielten? Ja, aber nun haben wirtschaftliche Interessen anderes hervorgebracht. Im Sinne einer möglichst langen Verweildauer werden Ergebnisse nach Vorlieben, Bedürfnissen und Interessen des jeweiligen Nutzers eingerichtet. Und man schätzt Begriffe, mit denen sich das Ganze der Gesellschaft auf einen Nenner bringen lässt. Sowie: Die Industriegesellschaft, die Erlebnisgesellschaft, die Leistungsgesellschaft oder die Risikogesellschaft? Oder die Konsumgesellschaft, zu der gleich alle gehören, weil ja auch alle konsumieren müssen. Gut, wir mögen uns zwar darin gleichen, dass wir konsumieren müssen, aber wir müssen nicht alle gleich konsumieren.
Und ist man dem allen entronnen, melden sich die Klassentreffen zu Wort. Stimmt, ein Geselligkeitsklassiker zwischen Familie, Verein und Beruf. Und eine heiliggesprochene Kultur der Zusammenkunft, mit der Zeremonien zelebriert werden. Von den einen gemieden, von anderen immer wieder herbeigewünscht. Um sich an biografische Phasen zu erinnern, denen man einst glaubte entronnen zu sein. Also eine Inszenierung.