Die Differenz und die Einheit zwischen dem Gesetz und dem Evangelium prägen die Grundlehre Luthers von der Rechtfertigung durch den Glauben. Das Gesetz wird als ein anklagendes Gesetz verstanden, als ein Geschehen zwischen Gott und dem Menschen wahrgenommen. Der Mensch macht die Erfahrung, dass er den Willen Gottes nicht erfüllen kann. Nur die reine empfangende, passive Haltung des Menschen vor dem Evangelium und vor Gott, welcher die Liebe schenkt, ist ihm gegenüber adäquat. Die erlösende Freiheit von der Sünde, ist gleichzeitig eine geschenkte Freiheit für ihr Mitwirken an der Ankunft des Reichs Gottes. Das was zählt, ist nur das absolute Vertrauen auf Gott selbst. Die Heilsgewissheit darf nicht mit der Sicherheit (der securitas) im Leben gleichgesetzt werden.
Aber der Glaube an Gott bei Luther wendet sich an das „Ich“ des Subjekts zurück, mit dem Ziel, seine Glaubensgewissheit zu etablieren. Diese Rückbeugung des Glaubens ist das dominierende neue Element, das die protestantische Periode Luthers kennzeichnet. Das „Ich“ wird damit, vermittels eines intensiven Bewusstseinsaktes, in die Einsamkeit des Individuums geführt. Der Verlust des unmittelbaren Zugangs zu Gott, führt zum Verlust des Lebenssinns, zur Angst und Verzweiflung. Das Auftauchen des neuzeitlichen, individuellen und selbstbewussten Subjekts verlangte zuerst das schreckliche Durchqueren der dualistischen, existentiellen Wahl zwischen Gott und Teufel.
- Veröffentlicht am Dienstag 24. Januar 2017 von Weidler Buchverlag Berlin
- ISBN: 9783896936752
- 138 Seiten
- Genre: Christliche Religionen, Philosophie, RELIGION, Sachbücher