Menschenweg und Engelwelt. Die Kryptafresken von Kloster Marienberg

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Mechthild Clauss beschäftigt sich intensiv mit der Welt der Symbole: wie biblische Symbolsprache durch die bildende Kunst des Mittelalters sichtbar gemacht wird.

Im Marienberger Bilderzyklus findet sie das im Entstehen begriffene Himmlische Jerusalem, an dessen Bau mitzuwirken der Mensch berufen ist.

In der Regel Benedikts (19, 5) wird Psalm 138, 1 zitiert: „Vor dem Angesicht der Engel will ich dir Psalmen singen.“ Dementsprechend hat Abt Anselm Erb (1740-1767) von Ottobeuren im Kuppelfresko über dem Mönchschor die Gott preisenden Chöre der Engel und den Sturz Luzifers in die Hölle durch J. J. und Fr. A. Zeiller malen lassen. Ob es in den mittelalterlichen Kirchen Ottobeurens eine thematisch ähnliche Ausgestaltung gegeben hat, wissen wir nicht. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts waren Ottobeurer Mönche aus ihrem nach der Einführung der Hirsauer Reform in voller Blüte stehenden Kloster aufgebrochen, um in Schuls, St. Stephan und schließlich Marienberg monastisches Leben im Geiste der Reform zu begründen.
Von 1142-1180 wirkten fünf Ottobeurer Professen dort als Äbte. Die berühmten Fresken in der Krypta von Marienberg werden heute allgemein in diese Ottobeurer Zeit Marienbergs datiert. Auch damals haben die Mönche in Marienberg „vor dem Angesicht der Engel“ Psalmen gesungen und die Eucharistie gefeiert.
Seit der Wiederentdeckung und Freilegung der Fresken hat sich die Kunstgeschichte für diese Malereien im Südtiroler Vinschgau interessiert. Aber eine theologische und geistesgeschichtliche Deutung fehlte bis jetzt. Wir müssen deshalb Frau Dr. Mechthild Clauss dankbar sein, dass sie nach jahrelanger Beschäftigung mit der Marienberger Krypta, uns die vorliegende apokalyptische Bildsprache im Licht spiritueller Deutung erschliesst.