Migranten

Essay

von

Patrick Chamoiseau anwortet mit seinem Essay auf
das Ohnmachtsgefühl zweier Künstlerinnen: Hind
(Meddeb) ist Filmemacherin, sie hat die Räumung des
»Dschungels« in Calais dokumentiert und die Zerstörung
des Lagers von Geflüchteten an der Metrostation
Stalingrad im Zentrum von Paris gefilmt; und Jane,
eine junge Schriftstellerin, die von ihren Eindrücken
berichtet, wenn sie die Geflüchteten mit einem
Frühstück versorgt.
Die Hypnose in den westlichen Ländern besagt, wir
bräuchten unseren Frieden, »die Ruhe der Zivilisierten
«, und diese werde von den Migranten gestört, sie
seien Eindringlinge wie einst die Barbaren im antiken
Griechenland. Chamoiseau sieht jedoch die Barbarei
im Inneren der westlichen Gesellschaften, die dem
neoliberalen kapitalistischen System hörig sind. Unter
der Herrschaft des Maximalprofits verlieren alle, bis
auf einige wenige. Dabei wurde der Reichtum des
Westens von allen erbracht, nicht zuletzt von den
Menschen in den Kolonien, aber auch über Generationen
von den Arbeitnehmern. Dieser Reichtum steht
daher allen zu. Die kulturelle, menschliche Seite der
Globalisierung ist die »Mondialität«, das Bewusstsein,
dass die Welt eins ist. Die Migranten zeigen auf, dass
den großen Gewinnern diese Welt nicht gehört.
Chamoiseau beschreibt die vitale Kraft der Migranten,
ihre Vision zu leben – »etwas Besseres als den Tod
findest du überall«, wie es im Märchen heißt. Es gibt
kein Leben ohne Bewegung, keine Vitalität ohne
Wanderschaft. »Die neoliberale Barbarei hat auf ihre
eigene Weise die Welt verriegelt, es wäre völlig
verfehlt zu glauben, dass dieser Riegel uns schützt.«