Monumenta Tibetica Historica. Abt. III: Diplomata et Epistolae

Teil 2: Diplomata Tibetica. Die vierzehn Urkunden für die Tausendschaft Mus. Mit einer Studie zur historischen Entwicklung des Mus chu-Tales im westlichen Tsang in der Zeit des 12.-15. Jahrhunderts.

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Das in Teilen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschungsvorhaben dient der Edition, Übersetzung und Aufarbeitung des noch greifbaren Urkundenmaterials, das zur Zeit des großmongolischen Reiches (1206-1368) von den mongolischen Großqanen und den ihnen unterstehenden Ämtern für tibetische Adressaten ausgefertigt wurde. Damit wird zum einen der Gesamtbestand des besitz- und rechtsgeschichtlichen Quellenmaterials für den tibetischen Raum in übersichtlicher Form zugänglich gemacht. Zum andern wird damit durch die kritische Aufarbeitung der Materialien eine wesentliche Grundlage für eine eingehende Erforschung dieser Geschichtsperiode gelegt, deren Auswirkungen für den tibetischen Raum erst in geringem Maße erforscht sind. Im Rahmen der Arbeiten ist geplant, etwa 60 Dokumente zu edieren, zu übersetzen und zu beschreiben, die in mittelmongolischer und tibetischer Sprache, in Form von Originalurkunden und Abschriften, sowie in noch gänzlich unbearbeiteter oder bereits mehr oder weniger ausführlich bearbeiteter Form vorliegen. Die Veröffentlichung der Ergebnisse erfolgt in mehreren Teilbänden.

Während die Forschung bis zur Mitte der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts gerade einmal 28 yuan-zeitliche Dokumente besaß, sind in den letzten zehn Jahren in verschiedenen Publikationen von chinesischer und tibetischer Seite 32 Urkunden neu zugänglich geworden, die unsere Einblicke in die Diplomatik und Rechtsauffassungen der Zeit maßgeblich verbessern. Erfreulich ist dabei, dass nunmehr auch die Faksimile von immerhin 30 Originalen zugänglich sind und damit auch die für die Diplomatik so wichtige Erforschung der äußeren Merkmale mit weitaus größerer Genauigkeit durchgeführt werden kann, als das bislang der Fall war.

Klassifizieren lässt sich dieser Bestand an fast ausschließlich echten und unverfälschten Dokumenten unter verschiedenen Gesichtspunkten. Bezieht man auch die erhaltenen Sendschreiben und Verfügungen der Großqane und Kaiserwitwen sowie die 1382 und damit erst 14 Jahre nach dem Ende der Yuan-Dynastie ausgefertigte Herrscherurkunde des Byang bdag, des Zehntausendschaftsgoverneurs von La stod Byang, mit ein, sind derzeit folgende Bestände für die verschiedenen Kanzleien greifbar:

1) 19 Urkunden und Sendschreiben aus der Kanzlei der mongolischen Großqane

2) 3 Urkunden aus der Kanzlei der Kaiserwitwe

3) 17 Urkunden aus der Kanzlei der „Kaiserlichen Lehrer“ (CH dishi, T ti shri)

4) 5 Urkunden aus der Kanzlei der „Reichslehrer“ (CH guoshi, T go shri)

5) 3 Urkunden aus den Kanzleien mongolischer Prinzen

6) 2 Urkunden aus der Kanzlei, die den Oberhäuptern des Xuanweisi (MM sven.u.e shi, T svon vi si) — den Oberhäupter des Amtes für tibetische und buddhistische Angelegenheiten — unterstand

7) 6 Urkunden aus unterschiedlichen Kanzleien des Klosters Sa skya sowie

8) 3 Urkunden aus den Kanzleien der tibetischen Zehntausendschaftsgoverneure (T khri dpon) sowie

9) 1 Urkunde aus einer nicht genau identifizierbaren Kanzlei.

Eingeschlossen wird in die Untersuchung des weiteren

10) 1 Amtsplakette eines kaiserlichen Boten, die nachweislich in Tibet gefunden worden ist.

Die ersten beiden Teilbände befinden sich derzeit in der Drucklegung. Im ersten werden sämtliche derzeit greifbaren mittelmongolischen Dokumente in ‚Phags pa-Schrift bearbeitet, die von den verschiedenen Kanzleien der Yuan-Administration für tibetische Destinatäre ausgefertigt wurden.
Mit Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde der zweite Teilband unter Leitung von Prof. Dr. David Jackson, Abteilung für Geschichte und Kultur Indiens und Tibets, Asien-Afrika-Institut der Universität Hamburg, innerhalb des Forschungsprojektes „Westlich von Sakya“ erstellt. Dieser Band enthält eine Beschreibung und Analyse der bislang gänzlich unbearbeiteten Herrscherurkunden, die für das tibetische Herrschergeschlecht der gNyags ston pa ausgefertigt wurden. Eng mit Sakya, der Führungsmacht im Tibet des 13. und 14. Jahrhunderts, verbunden, übte dieses Adelshaus Herrschaft über die im Mus chu-Tal gelegene Tausendschaft Mus (T mus stong skor) aus, eine im nordwestlichen Zentraltibet gelegene Tausendschaft der Zehntausendschaft La stod Byang (T byang khri skor).