Mord am Bökelberg

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„Borussia ist in Gladbach mehr als nur eine Fussballmannschaft. Mehr als nur ein Sportverein. Borussia ist hier ein Lebensgefühl. Wir denken Borussia, wir träumen Borussia, wir atmen Borussia, wir leben Borussia.“—————————————————————————————Ferdi Caspers, ein leidlich erfolgreicher Fotograf im niederrheinischen Mönchengladbach, stolpert über eine Leiche und gerät in eine geheimnisvolle Geschichte hinein, die ihn weit in die Vergangenheit und tief in verschüttet geglaubte Bereiche seiner eigenen Biografie entführt. Während die Polizei noch völlig im Dunkeln tappt, geht das grausame Morden weiter. ———————————————————————————————
„Ich verlor die Übersicht, schien hilflos in den weichen Kissen zu ertrinken. Von einer Sekunde auf die andere wurde alles wieder schwarz. Pechschwarz.N – A – C – H – T.“ Caspers! Caspers!“ Fünfunddreißigtausend heisere Kehlen schrieen meinen Namen triumphierend hinaus in den kühlen Abendhimmel. Es war das entscheidende Rückspiel im Europa-Pokal gegen Inter Mailand. Inter mit allen Assen. Mit Mazzola, Vieri und Jair, diesem wieselflinken, schwarzen Brasilianer, der im ersten Spiel nicht dabei gewesen war.
Der Bökelberg platzte aus allen Nähten. Es waren nur noch Sekunden zu spielen. Die Begegnung stand auf des Messers Schneide. Eine Herzschlag-Partie. Borussia brauchte nur noch ein Tor zum Erreichen des Endspiels. Ein einziges, winziges Törchen. Da passierte es. King Netzer schüttelte einen Fünfzigmeterpass ansatzlos aus dem Fußgelenk und schickte Hacki Wimmer an der rechten Seitenlinie auf die Reise. Wimmer legte ein Höllentempo vor, jagte die Linie entlang, fast bis zur Eckfahne und drang dann in den Strafraum der Italiener ein. Das Stadion brodelte. Die tobende Menge witterte die Sensation. Wimmer liess zwei, drei Abwehrspieler stehen wie hölzerne Slalomstangen und flankte dann butterweich nach innen. Und dann kam ich. Mühelos löste ich mich von meinem Gegenspieler, segelte elegant vom Elfmeterpunkt aus herein und traf die Lederkugel lehrbuchmäßig voll mit der Stirn. Vieri flog und flog, aber seine behandschuhten Riesenhände griffen ins Leere. Der Ball schwebte und schwebte und überquerte schließlich wie ein verlorener Regentropfen die Torlinie. Hart schlug der Inter-Torwart auf der Grasnarbe auf. Während ich jubelnd abdrehte, sah ich tief in seine Augen. Sie waren blutunterlaufen vor Enttäuschung. T – O – O – O – R! T – O – O – O – R! „So ein Tag, so wunderschön wie heute.“ Und dann: „Caspers! Caspers!“ Die Menge skandierte ekstatisch meinen Namen. Fünfunddreißigtausend, die brüllten wie ein Mann, herrlich. „Caspers, Caspers!“ Moment mal. Genaugenommen hörte sich das nicht sehr laut an. Nicht wie fünfunddreißigtausend. Nicht mal wie tausend, wie hundert. Eher wie ein einzelner. „Caspers! Caspers!“ Eine Männerstimme rief meinen Namen. Immer lauter, immer drängender. Lasst mich doch in Ruhe! Ich brauche meine Ruhe. Ich bin so müde. „Caspers! Caspers!“ Die halblaute Stimme hörte nicht auf, meinen Namen zu rufen. Eine Hand rüttelte an meiner Schulter. Mein Blick fiel auf die weißen Laken. Wo war ich? Vorsichtig blinzelte ich in das schmerzende Licht.“