MV Taschenbuch

Die Geschichte der Liselotte Herrmann

von

Ditte Clemens
Schweigen über Lilo

„. Das nun endlich erschienene Buch ist nicht nur gründlich recherchiert, sondern auch tief bewegend, zu¬dem glänzend geschrieben und nicht zuletzt spannend. Dank dieser Stärken wird das scheinbar tausendmal Ge¬hörte auch ,drüben‘ noch einmal neu gehört werden, nur so wird dieses Schicksal ,hier‘ nicht von vornherein damit abgetan werden, Vergleichbares habe man schon über¬genug gehört.“
Frankfurter.Allgemeine Zeitung 3.4.1993
„. Ditte Clemens‘ eindrucksvolles und spannendes Buch zeigt modellhaft die Situation im Deutschland der dreißi¬ger Jahre und den Umgang mit diesem Teil der Ge¬schichte in der DDR. Das Klischee von der kommunisti-schen Widerstandskämpferin genügte, um Lilo im Westen fast totzuschweigen, in der DDR als Heldin zu verehren und nach 1990 ihren Namen von Schulen und Straßen¬schildern zu streichen.“
Hannoversche -Allgemeine Zeitung 3.11.1993

Dieses Buch ist nicht nur gründlich recherchiert, sondern auch tief bewegend, glänzend geschrieben und nicht zuletzt spannend.

Leseprobe:

Das Gnadengesuch. Der Gang nach Canossa. Sich beugen und sich doch das Kreuz nicht brechen lassen. Das ist aus Lilos Gnadengesuch zu entnehmen. In der DDR wird es nie vollständig veröffentlicht. Übriggeblieben ist da nur die letzte Zeile, die oft als Zitat ohne Quelle angegeben wird. Alle anderen Worte werden verschwiegen.
Am 26. Juni 1937 läßt sich Lilo Papier und Füllhalter geben. Sie bittet, von der Vollstreckung des Urteils abzusehen: ‚Auch im Hinblick auf mein Kind möchte ich diese Bitte aussprechen. Wenn ich bei dauerndem Aufenthalt im Zuchthaus meine Mutterpflichten, die mir das heiligste und liebste sind, nie mehr auch uneinigermaßen erfüllen könnte, so bliebe dem Kind aber wenigstens die Gewißheit, daß seine Mutter lebt und ihn liebt wie kein anderer Mensch und daß er sie nicht auf so grausame Weise hat verlieren müssen, was eine ungeheure innere sowie äußere Belastung zeit seines Lebens sein würde und was seine bisher so glücklich und gesund verlaufende Entwicklung tiefgreifend und nachhaltig erschüttern würde.‘ Und Lilo schreibt weiter, daß sie sich der Tat, die ihr zur Last gelegt wird, aufgrund ihrer Unerfahrenheit und Unkenntnis der Zusammenhänge nicht in vollem Umfang für schuldig fühlen kann. Ihrer Unterschrift fügt sie als letzten Satz ein Zitat von Beethoven an. ‚O! Wer war glücklicher als ich, da ich noch den süßen Namen Mutter aussprechen konnte und er wurde gehört.‘
. An den verantwortlichen Stellen für Gnadengesuche schüttelt man die Köpfe, man begreift den Starrsinn dieser Frau nicht und notiert am 1. Juli 1937: ‚Bei Liselotte Herrmann liegen besondere Umstände, die bei der Prüfung eines Gnadenerweises in Betracht kämen, nicht vor. Im Verlaufe der polizeilichen Ermittlungen hat die Herrmann durch ihr Verhalten nicht gezeigt, daß sie über ihre Tat Reue empfindet, und sie hat von sich aus zur Klärung des Sachverhaltes nicht beigetragen.‘
Lilo muß auf ihre letzte Reise gehen.