Nach dem Triumph

General Graf Gneisenau schreibt an seine Frau 1815-1822, Band III

Einführung | Welch‘ Krönung einer Laufbahn voller Widerwärtigkeiten, Kämpfe und Niederlagen! Nach dem bereits errungenen Sieg bei Waterloo/Belle-Alliance, südlich von Brüssel, erkannte Gneisenau die eine Gelegenheit, die das Schicksal ihm bot, und verfolgte persönlich seinen gigantischen Feind. Dieser nächtliche Triumph am Sonntag, dem 18. Juni 1815, schien die Erfüllung seiner weiteren militärischen Pläne und politischen Vorstellungen zu verbürgen. Schon machten sich die Preußen auf den Marsch nach Paris. Bevor jedoch die Stadt noch besetzt wurde, gab Napoleon am 22. Juni 1815 auf, trat zurück und zog in das Refugium seiner im Jahr zuvor verstorbenen ersten Frau Joséphine, Malmaison.
Nach fast einem Jahrzehnt zäher und erbitterter Auseinandersetzungen mit den Verfechtern einer napoleonfreundlichen Politik sah nun Gneisenau endlich seine These bestätigt: Napoleon hört erst dann auf, Europa mit Kriegen zu überziehen, wenn er selbst vernichtet ist; daher muß man ihm diese Erkenntnis vereint, gezielt und mit Macht einflößen. Das hatten nun die Alliierten in einer zweiten Kraftanstrengung ohnegleichen und obendrein in einer sehr kurzen Kampagne endgültig geleistet.
Militärisch gesehen hatte Gneisenau als Taktiker und Stratege alles gegeben, aber sein berechtigtes Hochgefühl wich mit der Zeit einer tiefen Enttäuschung, da von den Diplomaten und Herrschern, obwohl uneins, keiner den Sieg in Gneisenaus Sinne auszunutzen bereit war.
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