Nacht über Stabiae

Briefe aus der Römischen Kaiserzeit übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Alfred Binder, Pfr.

von

Bei Grabungsarbeiten für eine Tiefagarage wurden in Castellamare die Stabiae im Golf von Neapel in einer Urne elf vollständig erhaltene Briefe gefunden, welche zweifelsfrei aus der Mitte des Zweiten nachchristlichen Jahrhunderts stammen.
Sie geben einen noch nie dagewesenen authentischen Einblick in die Geschehnisse des Jahres 79 n. Chr., als die bisher größte von Menschen erlebte Naturkatastrophe, der Ausbruch des Vesuvs, den Golf von Neapel verwüstete und das Römische Kaiserreich ins Mark hinein erschütterte.
Diese Briefe berichten uns nichts von tragisch-pathetischen Liebesgeschichten und heldenhaften Gladiatoren im Angesicht des nahenden Untergangs der Stadt, sondern sind die Erinnerungen einer gebildeten Frau, welche ihre Kindheit auf dem luxuriösen Landgut ihrer reichen Großmutter in Stabiae verbrachte und dort wohl auch – wie sie selber schreibt – verlor.
So ist dieser Brieff und aus Stabiae wie ein zeitdurchbrechendes Fenster, welches sich durch die Hand der Livia Domitilla Calpurnia Collonia Galla, der Verfasserin der Texte, für uns weit geöff net hat, um uns einen kleinen Einblick zu gewähren in den Alltag und das Leben wohlhabender Römer auf dem Lande, uns aber auch erschütternde Kunde bringt von den schrecklichen Ereignissen des 24. Augusts 79 n. Chr., als die blühenden Städte Herculaneum und Pompeii durch einen gewaltigen Vulkanausbruch untergingen, und Verbrechen, Schuld und namenlose Grausamkeit unter den Massen von Geröll und Schutt begraben wurden.