Gegen das VergessenNatalia Stachons Arbeiten können und wollen ihre Verwandschaft zur frühen Moderne oder zur Minimal Art gar nicht verleugnen, denn auch sie handeln von der plastischen Entfaltung des Raums als einer Empfindung, als einem Zwischenraum und atmosphärischen Volumen. Dabei versteht man diese plastischen Raumbilder der 1976 im polnischen Katowice geborenen und heute in Berlin lebenden Künstlerin sofort, wenn man sich ein taktiles, geometrisch konstruiertes plastisches Volumen vorstellt, das durch sein Gegenteil, die nicht eingrenzbare Luminosität, also das immaterielle Licht, in die Dichte eines Mediums ohne Dinglichkeit verschmolzen wird, wie die Herausgeberin Renate Wiehager schreibt. Entsprechend basiert das Werk Natalia Stachons auf der genauen Analyse der räumlichen Konstruktionen und skulpturalen Minimalisierungen der abstrakten Avantgarden, von den visionären Raumkonzepten der russischen wie polnischen Avantgarden der 1920er Jahre über die Konkrete Kunst bis hin zur Minimal Art. Allerdings hat sie die plastischen und werkhaften Setzungen der Vorläufer in offene räumliche Konstellationen mit architektonischen Dimensionen transformiert. Transparente Materialien, welche die Blickrichtung leiten, sowie dreidimensionale Körper – all das lässt sie in einer Kombination von Sprache, Zeichnung und Skulptur zu geistigen, ephemeren Volumina werden. Walter Benjamin hat für eine solche Transformation, in der Vergangenheit mit Gegenwart verwoben wird, den Begriff des »dialektischen Bildes« geprägt. Äußerste Transparenz als Gestaltungsmerkmal hat Natalia Stachon auch an diesem Buch gereizt. Sie hat sich für die Verwendung eines Dünndruckpapiers im Bildteil entschieden, das eine gegenseitige Durchdringung von Bildern und mit ihren Arbeiten korrespondierenden Gedanken von Robert Morris, Carl Andre, Gordon Matta-Clark, Adam Caruso, John Hejduck, Robert Graves, Maurice Blanchot und Nickel van Duijvenboden ermöglicht.