Natascha, Véronique und Paul

von

Köln im Sommer, Schauspielschüler proben ein südamerikanisches
Stück mit Cowboys, Geistern und Wandertheater.
Es ist heiss und keiner weiss mehr, wie es
Sommer geworden ist. So auch Natascha, Véronique
und Paul, drei Freunde, die im Theater arbeiten. Abends
treffen sie sich in Nataschas Küche, und ein anderes
Theater geht mit ihnen durch, das von den Ausläufern
einer Ästhetik des Widerständischen handelt: Des Widerständischen
zwischen ihnen und in ihrem Verlangen,
alles, was sie tun, nicht nur einfach zu erleben, sondern
es sich dabei auch noch vorstellen zu wollen.
Sie spüren, dass etwas an sein Ende kommt, ihre Jugend
geht zu Ende, doch wie sich von ihr verabschieden? Wie
geht der Abschied von einer Zeit und einer Jugend? Wie
kann eine andere Zeit anbrechen und zwar so, dass keiner
daran sterben muss? Das fragten sie in jenem Sommer
und seither.
Bald dreissig Jahre später, es wird das vierzigste Woodstock-
Jubiläum gefeiert, ruft Paul Véronique an und da
setzt das Buch ein. Das eine Vergangenheit zu erzählen
sucht, die bis heute nicht als Vergangenheit empfunden
werden kann. Denn konnte es tatsächlich so sein, dass
das, wovor sie sich fürchteten, schon lange hinter ihnen
lag? Woher sollten sie das wissen? Hand aufs Herz, sagten
sie sich, und wie immer, wenn sie mit sich sprachen,
taten sie das in der Sprache von anderen.
Da haben wir die Geschichte dieses kleinen Werks, in
dem Véronique an einem Sommer schreibt, in dem
alles wieder geschieht. Paul wohnt in der Kastanienallee
zehn, und wo er auch geht und steht, singt er von
Jacques Brel ‚Ne me quitte pas‘. Natascha trägt keine
Strümpfe an den Füssen und arbeitet an Bonds Die See.
Sie sind Véroniques Begleiter durch die Jahre des Sommers,
und noch ist ihr nicht vorstellbar, wie sie sich je
von ihnen verabschieden können soll.