Nautilus Flugschrift

von

»Genau genommen handelt das Buch von meiner Lieblingsjacke.« Hans-Christian Dany

Jogginghosen, Bomberjacken, Camouflage. Supreme, Yeezys, Off White, Vetements – was das Rampenlicht einer Mode durchlaufen hat, verschwindet im Dunkel, wird entwertet und vergessen. Die ewigen Bescheidwisser, die jedes Gefühl verstehen, ohne es empfunden zu haben, geben mächtig an: Sie hätten es längst gewusst, was gerade verschwindet, war nie mehr als ein überspannter Bogen.
Die weniger Abgeklärten fühlen sich von dem, was plötzlich nicht mehr gelten soll, über den Tisch gezogen. Und die vom Leben Beleidigten lamentieren über die Modeanfälligkeit derer, die an ihrer Statt Spaß hatten.
Doch es ist unmöglich, gegen die Mode zu sein. Diese Gier, die sie schürt, etwas haben zu wollen, mitzulaufen, können die Selbstdisziplinierten vielleicht noch unterdrücken. Aber man kann nicht gegen sie sein, weil es die Mode gar nicht gibt. Sie spaltet sich ständig auf, wie eine multiple Persönlichkeit liegt sie in der Luft, um sich in kürzester Zeit in eine andere zu verwandeln. Als ein zum Phänomen gewordener Phantomas betreibt sie das Maskenspiel bis zum Verlust des roten Fadens.
Und trotzdem jagt man ihren Oberflächen mit Vergnügen hinterher. Ihre Bewegungen bringen Menschen zusammen, formen Gemeinschaften, trennen sie wieder. Sie zerstören jede Ordnung und bauen sie wieder auf, sie sind schön und hässlich, kommen kapitalistisch daher, gleichzeitig spukt in ihnen der Aufstand. Und weil sie uns so hautnah kommt, während unsere Körper in ihre Hüllen schlüpfen, erscheint die polymorphe Affäre mit ihr wie ein andauernder Ausnahmezustand. Ein laufender Anfang vom Ende, von der Uniform zur Mode, von der Mode zur Uniform.