Neufundland

von

‚Ungesuchte Funde nennt man oft die glücklichsten‘, schreibt Barbara Köhler zu Beginn ihres neuen Buchs ‚Neufundland‘ und macht sich mit ihren Texten auf, um ‚zu finden, was man nicht schon weiß. Herausfinden, was das Unmögliche ist.‘
Ihre Texte sind Reisen, ausgehend von realen Orten wie Neufundland / Nova Scotia, London oder Duisburg, von Örtlichkeiten und deren Wörtlichkeiten, Namen und Geschichte – Reisen in einen Sprachraum (‚ins Deutsch-Land‘), oder sie queren die Räume anderer Texte, erkunden deren U-topografie: Gregor Samsas Zimmer etwa und die Reise aller Reisen, Homers Odyssee.
Es sind unterschiedliche Genres, die in diesem Buch versammelt sind: neben Reiseberichten auch Essays, Reden und Betrachtungen. Immer aber geht es um Poesie, jene ‚Kunst der kürzesten Wege und größten Distanzen von Wort zu Wort‘, und um die Möglichkeiten von Sprachen, Differenzen zur Sprache zu bringen. Übertragungen überbrücken die großen zeiträumlichen Unterschiede zwischen Sprachen. Barbara Köhler holt die Gedichte der Mechthild von Magdeburg in unsere Gegenwart, bringt Gertrude Stein und Elizabeth Bishop zum Klingen.
Was selten zusammengedacht wird, exakte Wissenschaft und Poesie, geht hier Verbindungen ein: ein Sappho-Gedicht mit der Quantendynamik und Schrödingers Katze mit der Gender-Grammatik.
Das Poetische zeigt sich in ‚Neufundland‘ als größtmögliche Exaktheit einer Sprache, die nicht Aussagen über anderes macht, sondern dem Anderen Denk-, Bewegungs- und Existenzmöglichkeiten einräumt. Eine Sprache, die und mit der man nicht mehr beherrschen kann, aber mit der und die mit sich reden lässt.