Opfer und Henker

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In ‚Weltbürger und Pilger‘ bietet Imre Kertész eine moderne Interpretation der Geschichte aus dem Alten Testament; es geht um die Konkurrenz von Lebenskunst und Apathie, von melancholischer Eleganz und gewalttätigem Neid, eine Konkurrenz, die im Mord gipfelt, den Täter aber nicht erlöst, sondern sein Elend nur verlängert. ‚Ich, der Henker‘ enthält den ersten Prosatext, den Kertész schrieb, bevor er 1960 die Arbeit an seinem großen ‚Roman eines Schicksallosen‘ aufnahm. Wir werden mit zwei Männern konfrontiert, die ihrer Sache, ihrer Geschichte, ihrer Schuld bzw. Unschuld absolut sicher sind. Der überraschende Schluß beweist die Fragwürdigkeit moralischer Überlegenheit: die biographisch schlüssigen Rechtfertigungen des Henkers provozieren die Erkenntnis seines Gegenübers, dessen ‚besseres‘ Leben sei nichts anderes als die Summe zufälliger Umstände. In den beiden Texten über Berlin und Budapest wird die existentielle Frage, wo will ich leben, auf biographisch erhellende und faszinierende Weise gelöst – auch hier der Kontrast zwischen den Zwängen eines diktierten Lebens und dem ersehnten Genuß von Freiheit.
In diesen vier Texten (entstanden zwischen 1958 und 2001) beweist sich Kertész als genauer Erzähler existentieller Konflikte und verblüffender Einsichten.