Orlando Syrg Taschenbuch: ORSYTA

Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten, Wilhelm Meisters Wanderjahre

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Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten: Eine am linken Rheinufer ansässige deutsche Adelsfamilie, die der Einfall des französischen Revolutionsheeres zur Flucht zwang, unterhält sich auf ihrem rechtsrheinischen Gut, nach dem Vorbild Boccaccios (Decamerone, 1353), um sich von den umwälzenden Weltbegebenheiten (Erster Koalitionskrieg, 1792-1797; Belagerung von Mainz, 1793) abzulenken und auftauchende Kontroversen sowie Schwächen an Selbstzucht, Bildung und Gesinnung zu bewältigen: Zwei Schauergeschichten, zwei erotische Anekdoten (falsch verstandene Freiheit; Entsagung), zwei moralische Erzählungen (pädagogische Tendenz; höherer Begriff von Freiheit), mündend zuletzt in ein phantastisch-symbolisch-allegorisches Märchen, Bilder, Ideen und Begriffe ineinander webend, idealisch vorscheinend, gegenseitige Hilfe und Selbstaufopferung, Schönheit und Liebe vereinigt.
Wilhelm Meisters Wanderjahre: »Grundstein der neuen Dichtung, des neuen Romans« (Hermann Broch, 1936)! Ein notwendig fragmentarisches, rückblickendes und vorausschauendes Bild von Goethes Zeit, Gesellschaft, Kultur, Politik, Wirtschaft und des Geistes. Der 1807-1810 begonnene, 1820-1821 wiederaufgenommene, 1825-1829 neugefasste »Roman«, komplexes »Kollektivum und Aggregat«, sprengt sämtliche Regeln der Gattung, enthält Novellen (Die neue Melusine, Der Mann von 50 Jahren), Gedichte, Aphorismen, Briefe, Tagebuchseiten, Fachabhandlungen, Archivblätter sowie lose damit verknüpft die weitere Lebensgeschichte des Protagonisten. Wilhelm Meister darf nun, gemäß Auflagen der Gesellschaft vom Turm (Orden der Entsagung), nicht länger als drei Tage unter einem Dach verweilen, und kein Dritter soll ein beständiger Begleiter werden auf seiner Wanderschaft zur Erweiterung von Lebenserfahrung und Weltsicht, um Entsagung zu lernen, weil notwendig für jedes soziale Glied einer humanen Weltbevölkerung. [Joerg K. Sommermeyer]