Oulipo & Co

von

Wie alle Texte, die Georges Perec im Laufe seiner kurzen, aber doch so intensiven Schaffenszeit verfasst hat, ist auch diese Novelle, mit dem so romantischen Titel Die Winterreise zu einem Klassiker ihres Genres avanciert. Sie ist im Jahre 1979 erschienen, dem Jahr, da Perec sein Hauptwerk Das Leben Gebrauchsanweisung vorlegte. Inzwischen zählt man nicht weniger als ein gutes Dutzend Variationen auf diese erstaunliche Erzählung. Was bei Perec Le Voyage d’hiver war, wurde im Laufe der Jahre – und insbesondere nach seinem Tod im Jahre 1982 – wieder aufgegriffen unter Titeln wie Le Voyage d’Hitler (Hervé Le Tellier), die Hinterreise (Jacques Jouet), Le Voyage du ver (Die Reise des Wurms, François Caradec), usw.

Der Titel ist romantisch, der Inhalt ist es in höchstem Grade. Erzählt wird, wie ein junger Literaturwissenschaftler am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in der Bibliothek eines Freundes im Laufe einer schlaflosen Nacht auf ein Buch stößt, das ausschließlich aus Zitaten der großen Lyriker des 19. Jahrhunderts, der Gründerväter der Moderne zu bestehen scheint: Victor Hugo, Baudelaire, Rimbaud, Charles Cros… Ist der unbekannte Autor, Hugo Vernier, ein genialer Plagiator? Mitnichten! Sein Buch, Die Winterreise, ist lange vor den Werken der genannten Autoren erschienen. Beruht also die neuere Literaturgeschichte auf dem geheim gehaltenen, okkultierten Plagiat eines großen Unbekannten? Stehen wir hier an den verborgenen Quellen der Moderne? Ist dieser Hugo Vernier der große plagiateur par anticipation, der »Plagiator durch Vorwegnahme«, wie die Autoren des Oulipo illustre Vorläufer nennen, die ihnen mit brillanten Ideen zuvorgekommen sind? Für den Literaturwissenschaftler Vincent Degraël beginnt eine lange und aufreibende Suche…