Päpste und Papsttum

Das Papsttum an der Wende der Spätantike zum Mittelalter

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In der Geschichte des Papsttums ist die Zeitspanne von Ambrosius von Mailand (gest. 397) bis Gelasius I. (gest. 496) entscheidend. Kraftvolle Papstgestalten erarbeiteten schrittweise die Grundsätze, die im Pontifikat Gelasius` ihre endgültige Ausformung erhielten. Dieser Pontifikat legte das Fundament, auf dem das mittelalterliche und moderne Papsttum ruhten. Gelasius kann nur im Zusammenhang mit seinen Vorgängern verstanden werden, wie der Verfasser auf Grund der nunmehr fast vollständig erschlossenen Quellen zeigt. Gelasius besaß das geistige und juristische Rüstzeug, die seit dem Ausgang des 4. Jahrhunderts von den Päpsten stufenweise erstellten Herrschaftsgrundsätze in einer Synthese zu vereinigen. Er hatte viele Jahre in der Papstkanzlei federführend gewirkt und war daher mit dem amtlichen Urkundenmaterial bestens vertraut. Die bisherige Erforschung des Papsttums hat das Zusammenwirken von Glauben, Bibelexegese und römischer Jurisprudenz ungenügend beachtet. Glaube und Recht verschmolzen im Laufe des 5. Jahrhunderts zu einer bisher unbekannten Größenordnung, die das Antlitz des lateinischen Westens im Gegensatz zum griechischen Osten nachhaltigst prägen sollte. Das Papsttum sah sich berufen, die Lebensordnung im öffentlichen Bereich entsprechend der christlichen Weltanschauung zu gestalten, da es erkannt hatte, daß das Wesen einer Gemeinschaft deren Herrschaft und Recht bedingt und bestimmt. Vornehmlich unter dem Einfluß von Gelasius meldete das Papsttum erstmals in seiner Geschichte herrscherliche Ansprüche auf öffentlicher Ebene an und eröffnete damit völlig neue Perspektiven im Rahmen der Gesellschafts- und Herrschaftslehre. Daß sich folglich Reibungen und offene Konflikte mit der Reichsregierung ergaben, überrascht nicht. Sie trugen erheblich zur Trennung von Ost und West bei. Der Verfasser betont an Hand des weitgeschichteten Quellenmaterials, daß das Verständnis der päpstlichen Grundsätze die Integration von verschieden gelagerten Wirkkräften erfordert, weil sonst die Institution weder strukturell noch ideell sinnvoll begriffen werden kann. Unbestreitbar gehört Gelasius zu den einflußreichsten Gestalten der Papst- und Kirchengeschichte.