Pannonien. Archipel

Theorie der Provinz

von

Wo liegt Pannonien? Lässt es sich heute lokalisieren oder ist es ein Mythos, eine Emotion?
Klaus-Jürgen Bauer – Architekt und Architekturtheoretiker – hat sich auf die Suche begeben. Er bereiste jene Region, deren Grenze vor zwei Jahrtausenden von den Römern gesteckt und die als Provinz „Pannonia“ benannt wurde.
Entdeckt hat der Autor in dem Raum, der sich über Ostösterreich, Westungarn, Teile Sloweniens, Kroatiens und Serbiens erstreckt – trotz Jahrhunderten differenter politischer Entwicklungen – viele Gemeinsamkeiten. Es ist ein Raum zwischen den Großstädten Wien, Bratislava, Budapest, Ljubljana, Zagreb und Beograd. Ein Raum, der von multikulturellen Gesellschaften geprägt ist.

„… Pannonien existiert als Idee, als Konstruktion, als Mythos und gleichermaßen als Lebensraum von mehr als neun Millionen Menschen. Dieses Pannonien hat das Potential, zu einer Projektionsfläche eigenständiger, zukünftiger, kultureller Entwicklungen dieser multi-ethnischen Schicksalsgemeinschaft in einer großartigen Landschaft zu werden …“

Die Rundreise durch Pannonien führt den Architekten zu unbekannten Orten und Bauwerken. Gemeinsam mit Fotograf Peter Jakadofsky hat er architektonische und gestalterische Erscheinungen in Bildern festgehalten. Von Kriegsruinen in Kroatien und Serbien bis zu Industrieruinen im Burgenland, von Sakralbauten bis zu zeitgenössischer Wohnhaus-Architektur.
Die klimatische Gemeinsamkeit des Raumes – heiße Sommer und kalte trockene Winter – sowie die geologische Besonderheit der weiten Ebenen mit einigen sanften Erhebungen provoziert Emotionen:
„… Neben den Resten der alten Steinterrassen bei St. Margarethen, alten Gruben, einer rauen, urtümlichen Hutweide (heute Naturschutzgebiet) befindet sich auch eine Feriensiedlung aus den sechziger Jahren. Auf dieser Höhe stehend und in das dunstige Wulkatal Richtung St. Margarethen blickend, sollte man einmal Abdullah Ibrahims African Suite hören, um die innere, klimatische und topographische Verwandtschaft dieser Gegend mit Afrika zu erleben….
Mit „Pannonien. Archipel“ entwirft Klaus-Jürgen Bauer auch eine Theorie der Provinz, die er als Leere zwischen den Metropolen beschreibt. Diese Leere manifestiert sich mitunter auch in skurrilen Erscheinungen:

„… Innerpannonische Betrachtung: Abseits der ganz großen Verkehrsströme … findet ein zuweilen bizarres – und weitgehend geheimes – Verkehrsleben auf den ganz kleinen Wegen und Pfaden durch Pannonien statt. In der sanft strukturierten Weinbauernlandschaft … entsteht allabendlich eine seltsame Prozession abseits der kontrollierten Bundesstraßen, in der ortskundige Autofahrer zwischen den Schenkhäusern und Gaststätten der Ortschaften auf ihren Rauschwegen durch die nächtlichen Weingärten hin- und herfahren. Ein Fremder würde sich über die abendliche Leere der Bundesstraßen in dieser Region wundern und vielleicht denken, dass hier wohl niemand wohnt. Aus der Luft hätte man wohl ein ganz anderes Bild… „

Der Autor nähert sich dem Thema, dem Mythos „Pannonien“ aus vielen unterschiedlichen Blickwinkeln. Verborgen bleibt nicht, dass er ein Kind dieser Region, ein leidenschaftlicher Pannonier ist.
Eine Leidenschaft, an der man sich auch als Leser entzünden kann.