Philemon und Baucis

Baum - Mensch

von

Kaiser Augustus gebot über das römische Weltreich, als der Dichter Ovid unmittelbar nach der Zeitwende seine Metamorphosen schrieb. In 15 Büchern mit je 700 bis 900 Hexametern sammelte er das mythologische Wissen der Antike. Ein weiter Erzählbogen spannt sich von der Entstehung der Welt aus dem Chaos bis zur Verwandlung der Seele Caesars in einen Stern.

Im achten Buch finden wir die Geschichte von Philemon und Baucis, dem armen, alten Paar, das dem Göttervater Zeus und seinem Sohn Hermes Gastfreundschaft gewährte und dafür reich belohnt wurde. Am Lebensende war es ihnen dank göttlicher Hilfe vergönnt, zu gleicher Zeit in zwei Bäume verwandelt zu werden, eine Eiche und eine Linde.

Diese Erzählung war Inspiration zu den hier gezeigten Bildern. Ein Jahr lang fing WolfTek den Lebenszyklus der Bäume an vielen Orten Europas fotografisch ein. Parallel dazu entstanden im Fotostudio rund 20.000 Bilder von Menschen – Einzelpersonen oder Paaren. Durch Kombination dieser Zutaten entstanden Zwitterwesen, die Thema dieses Buches sind.

So verwandelt sich eine Pinie an der Via Appia im Frühsommer in ein akrobatisches Paar, zur Herbsteszeit verschmilzt ein Mensch mit einem über den See gestürzten Baum, und im Winter lässt der frisch gefallene Schnee nur noch die Konturen der Baum-Menschen erahnen.

Außer der Ovidschen Dichtung standen die Baumgeister der griechischen Mythologie, die Dryaden, Pate für diese Bildserie. Als Hamadryaden waren sie Teil eines Baumes und starben auch gemeinsam mit ihm. Daher bestraften die Götter des Olymps und die Dryaden jeden Sterblichen, der einen Baum verletzte, ohne vorher die in ihm wohnende Dryade anzurufen – gelebter Umweltschutz schon in der Antike.